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Zwei Jahre Berliner Spielplan Audiodeskription: Der Rückblick

Posted in Theaterrezension

Zwei Jahre Berliner Spielplan Audiodeskription sind vorbei. Für mich sind sie wie im Flug vergangen. Nach einem fulminanten Start mit der „VIVID Grand Show“ „Othello“ und „Don Quijote“ schließen die Theater im März 2020. Von einem theaterlosen und vor allem audiodeskriptionslosen Jahr 2020/2021 kann trotzdem nicht die Rede sein. Viel ist passiert in diesem letzten Jahr von digitalen Tastführungen über Live-Theaterstücken mit Audiodeskription über ZOOM bis hin zur Zugänglichmachung älterer Aufnahmen wie „Mutter Courage“ aus dem Jahr 1957. Im achten digitalen Theaterclub lassen wir Revue passieren: Wir sprechen über die Highlights des Projektteams und des blinden und sehbehinderten Publikums, Statistiken der vergangenen Spielzeit und wie es eigentlich weitergeht mit dem Berliner Spielplan Audiodeskription. Dazu an dieser Stelle schon einmal der Hinweis: Damit der Berliner Spielplan Audiodeskription auch nach einem weiteren Jahr noch an der Gestaltung der Berliner Theaterlandschaft mitwirken kann, würden wir euch bitten, uns eine kurze E-Mail zu schreiben mit drei Gründen, warum das Projekt unbedingt weitergeführt werden sollte. Diese E-Mail geht an presse@theaterhoeren-berlin.de

Highlights des Projektteams

Das ist unser Projektteam: Projektleiterin Imke „Alles-Überblicken“ Baumann, Pressemitarbeiterin Eva-Katherina „The Shit“ Jost, Podcaster Andreas „Interview-Meister“ Brüning und Lavinia „das Senfglas“ Knop-Walling. Jeder von uns ist für einen anderen Teil des Projekts zuständig und hat demensprechend andere Highlights.

Andreas: Natürlich „Woyzeck Interrupted“. Mahir Sadri und Amir Reza Koohestani haben für mich Büchner nochmal aufgelegt, aber auch die Corona-Situation auf die Bühne gestellt und das mit einem Thema, das ich immer wieder interessant finde, bzw. auch erschreckend und fürchterlich, nämlich Gewalt im privaten Haushalt. Diese Situation spiegelt für mich die gesellschaftliche Situation wider. Wenn nämlich sowas wie ein Lockdown stattfindet, dann entsteht ein psychischer Druck. Ich fand es super, dass das aufgearbeitet wurde.

 © Arno Declair, Woyzeck Interrupted. Die riesige Leinwandprojektion auf der Bühnenwand zeigt den  blau angestrahlten Kopf von Woyzeck. Daneben sind die Umrisse einer Frauenfigur auf der Bühne zu sehen.

Der Podcast ist natürlich auch ein Highlight, weil ich damit sehr viel Zeit verbringe. Die Rubrik „Über den Tellerrand schauen“ ist sicherlich ein Highlight gewesen, mit London und David Bellwood zu sprechen und den Einblick zu bekommen, wie es ein anderes Land versucht.

Eva: Auf Nummer eins von den Streams habe ich die „Mutter Courage“ mit Gina Pietsch, weil sie die Audiodeskription so toll eingesprochen hat. Lavinia hat in ihrer Rezension geschrieben, dass diese drei Stunden Theaterstück schnell vorbei gegangen sind. Und so ging es mir auch. Die zweite Veranstaltung, die ich hochjubeln wollen würde ist die live gestreamte Tastführung aus dem Theater an der Parkaue, weil ich im Vorfeld involviert war und herausfinden musste, wie man das technisch hinbekommt. Ich war das Medium, das mit einem Bein in der Zoom-Konferenz war und mit dem anderen Bein auf der Bühne. Am Schluss hat eine Zuhörerin gesagt, dass sie sich gefühlt hat, als wäre sie dabei gewesen und das war mein bestes Kompliment.

© Hainer Hill © AdK, Berlin. Berliner Ensemble "Mutter Courage und ihre Kinder", 1951. Helene Weigel lehnt sich mit einem hocherhobenen Arm an die Kulisse und schaut mit der anderen Hand an der Hüfte zu Bertolt Brecht. Dieser schaut sie von der Seite an. Er hat kurze dunkle Haare, eine schwarz-umrandetet Brille, trägt ein weites Arbeiter-Sakko und hält eine Zigarre in seiner rechten Hand.

Imke: Für mich war das Theatertreffen ein Highlight. Das Festival-Team hat uns vor zwei Jahren angesprochen, als wir mit dem Projekt begonnen hatten, weil sie beim Theatertreffen Audiodeskription machen wollten. Das fand ich super, da habe ich sofort nach Kräften beraten und versucht, ein paar Leitlinien reinzuziehen, was wichtig ist. Dann haben sie sich drangemacht, das zu beantragen und das hat geklappt. Dann kam Corona. Die erste Spielzeit 2020 fiel fast flach. Was übriggeblieben ist, ist der Hamlet, den dann 3sat gemacht hat. Und jetzt in diesem Jahr wurde der Antrag neu aufgelegt, und da das Festival sowieso digital gelaufen ist, haben sie gesagt, jetzt machen wir das. Am Anfang ging es eigentlich nur um ein Stück. Am Ende hatten wir drei Stücke und zweimal eine Einführung zu einer szenischen Lesung, also fast ein kleines Programm. Es war sehr stressig, aber auch sehr lehrreich.

SCORES THAT SHAPED OUR FRIENDSHIP. Lucy Wilke, Pawel Duduś. © Martina Marini-Misterioso. Großaufnahme: Ein Mann und eine Frau liegen auf einer Matratze mit hellem Bettbezug. Der Mann liegt dem Betrachter abgewandt, von der Frau ist nur das blonde Haar zu sehen, während sie auf dem Bauch liegt und nach unten schaut.

Lavinia: Da ich an diesem Theaterclub leider nicht teilnehmen konnte, kommt hier mein persönliches Highlight nachträglich: Der Kontakt zu Blindenschulen in und rund um Berlin. Als es mit „Pythonparfum und Pralinen aus Pirgendwo“ endlich ein Familientheaterstück mit Audiodeskription gab, wollten wir natürlich, dass die Blindenschulen davon profitieren. Es hat eine Weile gedauert, Ansprechpartner*innen an den Schulen zu finden, denn die E-Mail-Adressen von Lehrer*innen sind so gut gehütet wie Namen im Zeugenschutzprogramm. Letztendlich hat es geklappt und vier Schulklassen konnten sich das Stück ansehen bzw. anhören. Die Herausforderung hat mir den Erfolg zusätzlich versüßt.

© Christian Brachwitz. Pythonparfum und Pralinen aus Pirgendwo. Hanni Lorenz biegt ihren Oberkörper nach hinten. Ihr Körper ist in einem violetten Licht angestrahlt. Sie trägt ein glänzendes langes Kleid mit Seidenhandschuhen. Hinter ihr stehen ein Page, und zwei weitere Figuren in der Hotellobby.

Statistiken

Zahlen sagen mehr als tausend Worte. In dieser Spielzeit habe ich Eva zufolge vierzig Blogartikel geschrieben, darunter siebzehn Theaterrezensionen, neun Interviews, sieben Veranstaltungsberichte, drei Artikel zu Barrierefreiheit, zwei sogenannte Listicles (Listenartikel) und zwei Hinter-den-Kulissen-Beiträge. Es gab fünf theaterclubs mit Gästen wie Lars Gebhart (Dramaturg, Deutsche Oper Berlin), Xenia Taniko (Choreografin), Gina Pietsch (Schauspielerin) und Sima Djabar Zadegan (Dramaturgin, Deutsches Theater Berlin). Auch nicht zu vergessen: drei Podcast-Magazine, unter anderem mit Interviews zu Audiodeskriptionen in Frankreich und England. Insgesamt sind in dieser Spielzeit sechs Theaterstücke mit Audiodeskriptionen entstanden. Darüber hinaus stand der Berliner Spielplan Audiodeskription bei zwei Stücken des Theatertreffens beratend zur Seite.

Am meisten gesehen wurde „Mutter Courage und ihre Kinder“ vom Berliner Ensemble mit 208 Abrufen über Weihnachten. Dieser Klassiker wird dicht gefolgt von der Oper „Der Zwerg“ mit 150 Klicks und „Woyzeck Interrupted“ mit etwas über 100 Klicks. Alles in allem also eine aufregende Spielzeit.

3 Gründe, warum der Berliner Spielplan Audiodeskription weitergehen sollte

Die vergangene Spielzeit war voller technischer Herausforderungen, Experimente und neuen Kooperationen. Die Audiodeskription im Theater ist in dieser Spielzeit gewachsen und mit ihr der Berliner Spielplan Audiodeskription. Trotzdem gibt es noch Luft nach oben. Damit wir uns auch nach drei Jahren Projektlaufzeit für inklusives Theater in Berlin, deutschlandweit und international einsetzen können, brauchen wir eure Hilfe. Wenn ihr für eine Verlängerung des Projekts seid, schreibt uns bitte eine E-Mail mit drei Gründen, warum der Berliner Spielplan Audiodeskription eurer Meinung nach weitergehen sollte und schickt sie an presse@theaterhoeren-berlin.de.

Diese Spielzeit neigt sich dem Ende, aber der Sommer und danach die nächste Spielzeit stehen vor der Tür. Mit einem Auge auf unserem Spielplan und einem Ohr auf unserem Newsletter wird es euch bestimmt nicht langweilig.

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