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„Mutter Courage“: Ein Klassiker mit Audiodeskription

Posted in Theaterrezension

Es gibt keine bessere Zeit, um einen Klassiker nach dem anderen zu schauen. Die Weihnachtszeit ist gespickt mit Traditionen wie Kerzen anzünden, Weihnachtslieder singen, Geschenke einpacken, Geschenke auspacken und sich romantische, kitschige und anrührende Geschichten anzusehen und anzuhören. Nun ist weder kitschig noch romantisch. Es ist aber anrührend und ein Klassiker ist es allemal. Gerade jetzt, wo wir viel mehr Zeit an der Hand haben, als es normalerweise zu Weihnachten der Fall ist, was wäre besser, als sich ein dreistündiges Theaterstück von zu Hause aus anzusehen? Das Berliner Ensemble hat genau aus diesem Grund die historische Aufzeichnung von „Mutter Courage“ von 1957 mit Helene Weigel in der Hauptrolle aus den Archiven hervorgeholt, abgestaubt und eingestellt. Noch bis zum 31. Dezember 2020 könnt ihr euch diese Vorstellung mit einer Audiodeskription der Sängerin und Schauspielerin Gina Pietsch anhören.

Der Tod frisst wahrlich seine Kinder.

Ein erbauliches Stück ist „Mutter Courage“ nicht. Diesen Namen trägt sich die Marketenderin Anna Fierlich im Dreißigjährigen Krieg ein, als sie mitten in einer Schlacht ihre letzten Brote in eine belagerte Stadt bringt, um sie zu verkaufen. Die Courage hat den Krieg zum Geschäft gemacht. Gemeinsam mit ihren erwachsenen Kindern Eilif, Schweizerkas und Kattrin zieht sie ihren Planwagen von Lager zu Lager und verkauft ihre Güter an Soldaten, Feldköche, Obristen. Dabei verliert sie allerdings mehr, als sie jemals verdienen kann. Ein Kind nach dem anderen frisst der Krieg, sodass ihr letztendlich nur der Planwagen bleibt, den sie einsam und verlassen dem Heer hinterherzieht. Helene Weigel fängt die Tragik dieser Figur wunderbar ein mit ihrer tiefen, harschen Stimme und herzzerreißenden Gestik. Zu Beginn ist Mutter Courage die stolze Mutter von drei Kindern, die mutige Händlerin, die mit dem Krieg Geschäfte macht und sich vor keinem Mann fürchtet. Zuletzt ist sie die vom Schicksal gebeutelte, kinderlose Mutter, der nur noch der Krieg geblieben ist. Ein schweres Stück und ich bin froh, dass es in dieser Besetzung bereitsteht. Obwohl das Stück alles andere als erbaulich ist, gibt mir die alte Aufzeichnung dennoch ein nostalgisches Gefühl.

Drei Stunden vergehen wie im Flug

Helene Weigel ist aber nur ein Teil des Zaubers. Für mich trägt Gina Pietsch’s Audiodeskription ungemein zum Charme des Stückes bei. Ihre Stimme klingt fast wie eine Märchenerzählerin, tief und etwas rau. Gepaart mit der offensichtlich alten Aufzeichnung, dessen Ton hier und da abbricht, fallen mir die Beschreibungen kaum auf. So gut passt Pietsch’s Beschreibung in die Aufzeichnung, dass ich zu keiner Zeit merke, dass die Audiodeskription für „Mutter Courage“ erst in diesem Jahr hinzugefügt wurde. Pietsch hat die Audiodeskription mit viel Hingabe gesprochen. Ich könnte mir keine bessere Stimme für dieses Stück wünschen.
Es gibt im Vorfeld keine detaillierte Bühnenbeschreibung und auch die Figuren werden erst im Laufe des Stückes beschrieben. Das stört mich jedoch nicht, denn zwischen den einzelnen Szenen gibt es immer eine kleine Pause, während der die Audiodeskription vorliest, was als nächstes passiert. Ich könnte mir eine längere Beschreibung der Bühne ohnehin nicht merken. Das Einzige, was mich verwirrt hat, ist, dass Mutter Courage erst nach einer Stunde beschrieben wurde. Alle anderen Charaktere können meinetwegen warten, aber die Hauptfigur hätte am Anfang beschrieben werden müssen. Das ist allerdings meine einzige Kritik. Ansonsten kann ich nur sagen, dass die drei Stunden tatsächlich wie im Flug vergangen sind.

Keine Langeweile über Weihnachten

Wenn euch über Weihnachten die Langeweile plagt oder ihr einfach Lust auf einen Theaterklassiker wie diesem Meisterwerk von Berthold Brecht habt, dann könnt ihr noch bis zum 31. Dezember 2020 auf der Webseite des Berliner Ensembles mit Audiodeskription sehen.
Wenn euch eher nach einem Familienstück ist, präsentiert das Theater an der Parkaue „Pythonparfum und Pralinen aus Pirgendwo“ mit Audiodeskription vom 25. Dezember bis zum 1. Januar. Wir sehen uns wieder im nächsten Jahr in eurem Theater!
Bis dahin wünsche ich euch einen guten Rutsch ins neue Jahr und viel Gesundheit.

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