Wenn man bereits ein paar Jahre auf dem Buckel hat, ist es nur recht und billig, dass man einmal innehält und einen Blick zurück auf gelebtes Leben wirft. Das gilt für Menschen. Es gilt aber auch für Projekte wie dem „Berliner Spielplan Audiodeskription“, wenn diese sich ihrem Ende zuneigen. Im Mai läuft das Projekt nun aus, weshalb wir uns am 28. April zum vorerst letzten Theaterclub über ZOOM treffen und zwar zu einem Rückblick der besonderen Art. Diesmal haben wir zwei Theaterschaffende – Maximiliane Wienecke vom Theater an der Parkaue und Maura Meyer vom Deutschen Theater – eingeladen, um darüber zu sprechen, wie gut Audiodeskription inzwischen an ihren Häusern integriert ist und welche Herausforderungen bestehen bleiben. Gleichzeitig haben wir einige der aktivsten sehbehinderten und blinden Zuschauer*innen aufgefordert, ihre Meinung zum Programm zu äußern und die Frage aller Fragen zu beantworten: Was wollt ihr eigentlich sehen?
Also, lasst uns zusammen einen Blick auf die Höhepunkte werfen und herausfinden, was die Zukunft noch so bringt!
Wie weit sind wir die Theater?
Maximiliane Wienecke vom Theater an der Parkaue und Maura Meyer vom Deutschen Theater gaben uns einen tollen Einblick, wie Audiodeskription inzwischen Teil ihres Alltags geworden ist. Es ist keine Überraschung mehr für das Team – jeder weiß, was zu tun ist. Es geht nicht mehr darum, ob, sondern wie Audiodeskription umgesetzt wird. Wo das Theaterteam früher über die Einbindung von Audiodeskription generell diskutierte, geht es inzwischen, Maura zufolge, eher darum, passende Tage zu finden.
Maxi erzählte, dass im Theater an der Parkaue mittlerweile eine Routine entstanden ist und das Einlassteam aus studentischen Mitarbeitern großes Interesse zeigt, sich weiterzubilden. Das klingt doch erstmal gut, und es scheint, als würden die Theater mit der Audiodeskription auch ohne den Berliner Spielplan Audiodeskription fortfahren.
Herausforderungen und Lösungen
Trotz der Fortschritte gibt es immer noch ein paar Stolpersteine. So wies Imke Baumann (Projektleiterin des Berliner Spielplan Audiodeskription) auf die bestehenden Kommunikationsprobleme hin, die manchmal auftreten, wenn nicht alle wissen, was geplant ist. Ein Klassiker: Der Techniker, der von nichts wusste, oder Geräte, die während der Tastführung im Raum herumstehen und nicht angefasst werden dürfen. Oder auch die Kassenmitarbeiter*innen, die dem blinden Anrufer mitteilen, dass es keine Audiodeskription gibt, obwohl diese geplant ist.
Maura erklärte, dass diese Missverständnisse auftreten, wenn theaterexterne Dienstleister*innen in theaterinterne Prozesse eingebunden werden. Ähnliches erlebten sie beispielsweise bereits mit der Übertitelung, die ebenfalls extern angeboten wird. Im Unterschied zur Übertitelung wird Audiodeskription jedoch nicht zu jedem Stück angeboten, weshalb die Routine weniger gefestigt ist.
Das heißt also, dass wir ganz einfach noch mehr Audiodeskription anbieten müssen, um weitere Fehler zu vermeiden. Je öfter wir das machen, desto reibungsloser läuft es.
Was sagen unsere Zuschauer?
Im zweiten Teil des Clubs haben wir direkt von den Zuschauern gehört, was sie sich wünschen und wie sie die aktuellen Angebote finden. Unter anderem sprachen Birgit Martini und Roswitha Röding darüber, wie wichtig es ist, eine breite Auswahl an Stücken mit Audiodeskription zu haben. Nicht jeder Tag ist gleich, und die Bedürfnisse können variieren. Auch die Shows, die ohne Audiodeskription laut Roswitha eine Zumutung sind, werden durch AD zu einem ganz neuen Erlebnis.
Vielfältige Wünsche
Unsere Zuschauer haben unterschiedliche Vorlieben. Von klassischen Stücken wie der „Dreigroschenoper“ bis hin zu modernen Performances – das Spektrum ist weit. Keine große Überraschung, wenn ich bedenke, wie vielfältig das Theaterpublikum ist. Immer wieder höre ich, dass es DAS Theaterpublikum gar nicht gibt. Gleichermaßen können wir nicht von einem homogenen blinden und sehbehinderten Publikum ausgehen. Klassische Stücke werden immer Publikum anziehen. Es lohnt sich deshalb, gerade diese mit einer Audiodeskription zu versehen. Aber wenn sich das Angebot mit Audiodeskription ausschließlich auf diese Stücke beschränken würde, fände ich das sehr schade. Schließlich müssen sich die sehenden Zuschauer*innen auch nicht auf die immergleichen Stücke begrenzen. Jeder und jede soll die Möglichkeit haben, Kunst in der Form zu erleben, die ihm am meisten zusagt.
Finanzierung und Budget
Die wohl wichtigste Frage lautet: Wie finanzieren die Theater die Audiodeskription? Die Antwort ist noch ungeklärt. Maura antwortete auf die Frage, dass die Finanzierung bisher der Berliner Spielplan (Lottostiftung Berlin) geleistet hat, es aber vom Senat keine zweckgebundenen Mittel gäbe. Ob sich daran politisch in nächster Zeit etwas ändert, steht noch nicht fest, aber an dieser Stelle möchte ich gerne auf unsere Pressekonferenz mit Vertreter*innen der Politik am 29. Mai um 11:00 Uhr in der Volksbühne am Rosa-Luxemburgplatz hinweisen, wo wir über eben dieses Thema diskutieren.
Bei Interesse meldet euch gerne bei Imke an unter: baumann@foerderband.org
Zusammenfassung und Ausblick
Wir haben in unserem letzten Treffen wirklich tief gegraben und wertvolle Einsichten gewonnen. Audiodeskription ist nicht mehr etwas, über deren Existenz im Theaterprogramm diskutiert werden muss, und die Theater sind sich einig, dass das Angebot kontinuierlich fortgeführt, um das Vertrauen des Publikums zu erhalten.
Das Feedback unserer Zuschauer*innen zeigt, dass das Angebot vielfältig genug ist. Natürlich gibt es immer noch Herausforderungen, insbesondere in der Kommunikation und der Finanzierung, aber die Lösungsansätze sind in Sicht. Hoffen wir also, dass es genug finanzielle Ressourcen auf Seiten der Politik gibt, um den Berliner Spielplan Audiodeskription als beratende und vermittelnde Instanz für Berliner Theater zu behalten.#
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