Am vierten Februar höre ich mir die Aufführung von „AIDA“ mit Audiodeskription an der Deutschen Oper an. Dies ist das erste Mal, dass ich mir eine Oper anschaue, ohne mir gleichzeitig auf meinem Laptop Notizen für die Audiodeskription zu machen. Im Vorfeld weiß ich bereits, dass die vier Vorstellungen, die mit Audiodeskription gezeigt werden, ausnahmslos gut besucht sind. Außerdem habe ich gelesen, dass in dieser Inszenierung das Orchester auf der Bühne sitzt und die Sänger*innen im Publikumssaal. Was für eine unglaubliche Erfahrung das ist, wird mir aber erst viel später klar.
„AIDA“ von Giuseppe Verdi spielt im antiken Ägypten und erzählt die tragische Liebesgeschichte zwischen Aida, einer äthiopischen Prinzessin, die als Sklavin im ägyptischen Königshaus dient, und Radames, einem ägyptischen Heerführer. Ihre Liebe wird durch politische Intrigen und die Erwartungen ihrer Gesellschaft verkompliziert. Zudem ist auch die Pharaonentochter Amneris in Radames verliebt. Während Aida und Radames ihre Liebe geheim halten müssen, bricht ein Krieg zwischen Ägypten und Äthiopien aus. Die Oper endet tragisch, als Aida und Radames in einem unterirdischen Grab lebendig begraben werden, während sie sich in Liebe und Versöhnung umarmen.
Der Chor im Publikum: Ein beeindruckendes Erlebnis
Das Licht geht aus und dann dauert es auch nicht lange, bis mir klar wird, wo die Sänger*innen sitzen. Als ich gelesen hatte, dass die Sänger*innen im Publikumsraum sind, habe ich angenommen, sie würden sich alle auf die ersten Reihen verteilen. Weit gefehlt! In den ersten Akten vor der Pause sitzt der Chor tatsächlich überall im Publikum. Zuerst erschrecke ich mich, als direkt vor mir mehrere Männer aufstehen und lauthals zu singen anfangen. Dann aber überwältigt mich der bombastische Gesang des Chores, der über den ganzen Saal verteilt ist. Auf dem Platz vor mir sitzt ein Sänger mit einer großartigen tiefen Stimme. Ich habe in den gesamten ersten Akten der Oper das Gefühl, er würde nur für mich singen. Mein privater Opernsänger, gibt es etwas Schöneres? Besonders der Triumphzug der Ägypter über die Äthiopier ist unglaublich mitreißend. Ich kann mir an dieser Stelle gut vorstellen, wie eindrucksvoll und ansteckend sich die Freude und der Jubel von hunderten Menschen um einen herum anfühlen muss. Hätte ich gewusst, dass die Sänger*innen so nah sind, hätte ich mir die Bemerkung, dass ich bei „AIDA“ immer an das Kreuzfahrtschiff denken muss, wahrscheinlich verkniffen.
Audiodeskription von Jutta Polic und Charlotte Miggel: Ein gelungenes Team
Die Audiodeskription wird von Jutta Polic und Charlotte Miggel eingesprochen, und ich muss sagen, sie machen einen großartigen Job. Jutta fasst die Übertitel zusammen, während Charlotte das Bühnengeschehen beschreibt. Obwohl es gelegentlich schwer ist, ihre Stimmen voneinander zu unterscheiden, ergänzen sie sich gut und sorgen dafür, dass ich das Geschehen auf der Bühne gut verfolgen kann. Besonders hilfreich ist es in diesem Fall, dass Aida und Amneris immer wieder genannt werden, denn die Stimmen der beiden Sängerinnen kann ich nur schwer auseinanderhalten.
Es ist jedoch schade, dass die audiodeskriptive Einführung vor der Vorstellung draußen fast gar nicht zu hören ist und es kein Pre-boarding für Audiodeskriptionshörer*innen gibt. So höre ich nur hier und da, was in der Einführung gesagt wird.
Der zweite Teil nach der Pause: Eine etwas langatmige Phase
Der letzte Teil des Stücks, in dem es um das tragische Ende von Aida, Amneris und Radames geht, finde ich persönlich etwas langatmig. Der Gesang der drei Sänger*innen ist wundervoll. Die Handlung ist packend und nervenzerreißend, besonders, als Radames von Aida verraten wird. Doch nach dem beeindruckenden Chorauftritt im Publikumsraum sehne ich mich geradezu nach mehr von diesem kraftvollen Erlebnis des ersten Teils. Meinetwegen hätten Amneris‘ Versuche, Radames von Aida abzubringen und sich für sie zu entscheiden sowie das Sterben von Radames und Aida gerne kürzer sein können.
Fazit: Ein unvergesslicher Abend
Alles in allem war mein Besuch bei „AIDA“ in der Deutschen Oper ein unvergessliches Erlebnis. Der Chor im Publikum, der Klangrausch und die eindrucksvolle Darbietung werden mir noch lange in Erinnerung bleiben. Die Audiodeskription hat dazu beigetragen, dass ich das Stück vollständig genießen konnte, und obwohl es Verbesserungsmöglichkeiten gibt, war es insgesamt eine lohnenswerte Erfahrung.
Am 17. Februar habt ihr vorerst zum letzten Mal die Gelegenheit, euch die „AIDA“ in der Deutschen Oper mit Audiodeskription anzuhören. Ich kann es nur empfehlen. Vielleicht habt ihr ja Glück und sitzt direkt neben einem Sänger, der nur für euch singt.
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