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Saalprüfung von „Die Zauberflöte“ mit Audiodeskription an der Deutschen Oper

Posted in Theaterrezension

Wie verläuft eigentlich die Generalprobe eines Stückes mit Audiodeskription? In mehreren Interviews mit Charlotte Miggel, Jutta Polic und Pernille Sonne haben wir bereits viel darüber erfahren, wie der Entstehungsprozess einer Audiodeskription vonstattengeht: Eine sehende Autorin schreibt die Audiodeskription. Eine zweite sehende und mindestens eine blinde oder sehbehinderte Autorin redigieren das Skript. Sobald der Text fertig ist, findet darüber hinaus eine Saalprüfung statt. In der Saalprüfung testet wiederum mindestens eine blinde oder sehbehinderte Person das Stück mit Audiodeskription. Es ist die Generalprobe für die Beschreiber*innen. Heute bin ich als Prüferin für die Oper „Die Zauberflöte“ mit Audiodeskription an der Deutschen Oper Berlin dabei. Die Bühnenbeschreibung wird von Felix Koch eingesprochen. Die Übertitel werden von Jutta Polic vorgelesen.

Einführung ins Stück

Auf die Zauberflöte habe ich mich schon lange gefreut. Die Lieder von Papageno kann ich mir rauf und runter anhören. Trotzdem erlebe ich die Oper heute zum ersten Mal live. Um zu testen, ob man im Parkett oder in der Loge mehr mitbekommt, probieren wir beides einmal aus. Im ersten Akt bin ich im Parkett, Reihe 7, Platz 7. Der Bildschirm meines Laptops ist dunkel und soweit heruntergeklappt, dass er niemanden stört und ich noch darauf schreiben kann. Während der Einführung mache ich mir unter anderem folgende Notizen für die Autor*innen der Audiodeskription:

  • Am Anfang ist die Übertragung schlecht. Die Einleitung klingt verrauscht und undeutlich wie von einem alten Kassettenband.
  • Was ist mit „kastenartige Hinterbühne“ gemeint?
  • Papageno trägt einen Mantel aus Nesselstoff. Was ist Nesselstoff?
  • Einer der Charaktere ist blind. Ist das der Sänger oder seine Figur? Wenn es die Figur ist, woran sieht man das?
  • Was ist ein Prospekt und wie viele davon gibt es? Sie scheinen während der Oper verschiedene zu benutzen. Ist das richtig?

Erster Akt

Das Stück beginnt, und ich versuche, gleichzeitig der Audiodeskription, der Musik und den Sänger*innen zu lauschen und mitzuschreiben. Das sind einige der Notizen, die ich mir im ersten Akt gemacht habe:

  • Es gibt viele fantastische Bilder auf Seiten der AD, z.B. „blau kalt beleuchteter Mond“ oder „Pulk aus Menschen“.
  • Die Sänger*inenn hören sich nah an. Ich kann sie deutlich sprechen hören. Als der Dolch herunterfällt, kann ich es ebenfalls hören.
  • Am Anfang wird lange Zeit nichts gesagt, während das Orchester spielt. Wird in dieser Zeit nur die Palme (ein Requisit) beleuchtet?
  • Es gefällt mir, wie sich Juttas und Felix‘ Stimmen ergänzen. Sie sind perfekt aufeinander abgestimmt. Niemand spricht über den anderen. Ich finde es toll, wie Jutta die Stimmung der Übertitelung, die sie vorliest, wiedergibt. Generell gefällt mir, dass beide Stimmen warm statt neutral klingen. An einer Stelle sagt Felix über den Drachen: „Bedrohlich öffnet und schließt er sein Maul.“ Seine Stimme klingt dabei auch etwas bedrohlich, aber nicht übertrieben.
  • Ich bin hin- und hergerissen, was Juttas detaillierte Übersetzung angeht. Besonders die männlichen Sänger (Tamino und Papageno) verstehe ich im Parkett sehr gut. Den Chor und die Frauen auf der anderen Seite verstehe ich kaum und bin dankbar für die Übersetzung.
  • Felix sagt, dass sich die Frauen um Tamino streiten. Das bekomme ich auch ohne die Beschreibung mit.
  • Bei Papagenos Vogellied finde ich es schade, dass alles übersetzt wird, weil ich das Lied kenne und hören möchte.
  • „Ach, wenn ich sie doch finden könnte.“ Das ist von Jutta sehr schön gesprochen worden.
  • Ich bin verwirrt, wie Papageno und Pamina von der Bühne abgehen. Gehen sie nach links ab, klettern sie die Palme hinunter oder gehen sie durch den Orchestergraben?
  • Ich finde es toll, dass ich das Tanzen der Schergen hören kann. Sie stampfen dabei auf den Boden.
  • Die Verfolgung von Papageno und Pamina finde ich verwirrend. Ich verliere den Überblick, wer alles verfolgt und wo die Verfolgten hinlaufen. Ich frage mich auch, wohin Tamino verschwunden ist.

Zweiter Akt

Im zweiten Akt ziehe ich um. Ich bin jetzt in Loge B, Reihe 1, Platz 4. In diesem Teil werden die Hits gesungen – das Lied der Königin der Nacht, Papagenos „Ein Mädchen oder Weibchen“ und Papagenos und Papagenas Duett. Hier ist ein Ausschnitt aus meinen Notizen:

  • Die AD hat in diesem Teil ein paar kurze Aussetzer. Ich glaube, die Empfangsgeräte empfangen im Parkett besser. Sonderlich störend ist es aber nicht.
  • Das Orchester ist in der Loge besser zu hören, die Stimme des Sarastro auch. Generell klingen die Sänger*innen jedoch weiter weg als im Parkett. Ich habe das Gefühl, das Bühnengeschehen würde sich ausschließlich links unter mir abspielen.
  • Ich kann hier oben immer noch das Stampfen auf der Bühne hören.
  • Monostatos ist schwierig zu verstehen, wenn er normal (nicht laut) spricht.
  • Bei den bekannten Liedern wie „Ein Mädchen oder Weibchen“ oder Papagenos und Papagenas Lied brauche ich keine Übersetzung von Jutta. Ich will nur die Lieder hören.
  • Der Gesang klingt eindrucksvoller in der Loge, besonders die Königin der Nacht.
  • Ich verstehe nicht, was mit Papagena geschieht, als Papageno sie in ihrer wahren Gestalt sieht. Zieht der Priester sie weg und Papageno läuft hinterher? Was die Sänger*innen sagen, ist schwierig zu verstehen, weil sie durcheinanderreden.
  • Ich bin wieder von dem harmonischen Wechselspiel von Jutta und Felix beeindruckt. Sie sprechen kein einziges Mal übereinander.
  • Was bedeutet „strahlenförmig“? Ist das wie eine Sonne?
  • Den ersten Kuss von Papagena und Papageno kann ich hören. Wenn sie sich laut küssen, brauche ich die Beschreibung nicht. Beim zweiten Mal am Ende ihres Liedes habe ich den Kuss allerdings nicht gehört.
  • Der Chorgesang am Ende ist in der Loge besonders bombastisch.

Fazit

Die drei Stunden sind wie im Flug vergangen und das lag unter anderem an den angenehmen Stimmen von Felix und Jutta. Ich bin überrascht, dass die AD (abgesehen von der Einführung) immer laut genug war. Ich musste mich, trotz der lauten Musik nicht anstrengen, um Felix und Jutta zu hören. Bei einigen Liedern kann die Übersetzung kürzer gehalten werden, besonders bei den Männern, die ich generell gut verstehe. Bei den Frauen schätze ich jedoch die detaillierte Übersetzung, weil sie so hoch singen, dass ich sie kaum verstehe. Man kann sich zwar dafür entscheiden, die Kopfhörer herauszunehmen, aber dann riskiert man, Felix‘ Beschreibung zu verpassen.

Das Parkett eignet sich besser, um die Sänger*innen zu verstehen, wenn sie sprechen. In der Loge klingen der Gesang und das Orchester allerdings intensiver. Vielleicht könnten beide Plätze angeboten werden.

Um das Bühnenbild zu begreifen, brauche ich eine Begehung. Die reine akustische Einführung ist mir zu abstrakt. Dadurch werden einige Stellen verwirrend, z.B. als Papageno und Pamina gejagt werden und danach mal Papageno, mal Pamina und mal Tamino auf der Bühne stehen. Abgesehen davon konnte ich die Oper vollends genießen, und ich kann nicht genug betonen, wie wunderbar Juttas und Felix‘ Stimmen hineingepasst und sich gegenseitig ergänzt haben.

„Die Zauberflöte“ mit Audiodeskription wird im Januar an der Deutschen Oper Berlin aufgeführt. Die Ticket-Details erfahrt ihr rechtzeitig in unserem Spielplan oder über unseren Newsletter.

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