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Saalprüfung von „Il Viaggio a Reims“

Posted in Allgemein, and Hinter den Kulissen

Am 9. April 2022 spielt die Deutsche Oper Berlin „Il Viaggio a Reims“ von Gioacchino Rossini. Heute, am 22. März, höre ich mir die Generalprobe der Audiodeskription an. Erstellt wurde sie von Roswitha Röding, Jutta Polic und Felix Koch. Die letzten beiden sprechen sie gemeinsam ein. Schon in der Saalprüfung zur Zauberflöte konnte ich dieses Dreamteam zum ersten Mal in Aktion erleben und war begeistert. Diesmal übernimmt Jutta die Beschreibung der Handlung. Felix übersetzt derweil den Gesang. Leider bin ich nicht zum Genießen da. Wahrscheinlich bin ich im ganzen Theater die Einzige, die mit einem Laptop auf dem Schoß und zwei Kopfhörern im Ohr relativ unbequem in ihrem Stuhl lungert. Ein Kopfhörer gehört zum Empfangsgerät der Audiodeskription, mit dem anderen höre ich die Sprachausgabe auf meinem Computer. Mein drittes Ohr ist der Oper zugeneigt.

Jutta und Felix sprechen. Ich schreibe tüchtig mit. Das Einzige, was ich bislang über die Oper weiß, ist, dass es um eine bunt gemischte Gruppe von feierlustigen Reisenden geht, die auf dem Weg nach Reims zur Krönung Karls des Zehnten in einem Kurhotel halt machen. Der Regisseur Jan Bosse hat Rossinis Werk allerdings in ein Sanatorium verlegt, sodass die Reise nach Reims zu einer Fantasiereise aus Slapstick-Humor und fragwürdiger Erotik wird. Im Folgenden könnt ihr einige der Anmerkungen lesen, die ich während des dreistündigen Opernaufenthalts gemacht habe.

Einführung

  • Leider wurden wir erst auf unsere Plätze gelassen, als die Einführung anfing. Die ersten paar Minuten der Einführung habe ich verpasst. Vielleicht kann man fünf Minuten später anfangen.- Was genau ist mit „Farbflächen“ gemeint? Sind das Quadrate?
  • Der Wechsel zwischen Jutta und Felix in der Einführung hat mir gefallen. Ich würde vorschlagen, dass Felix nach Juttas Einführung mit der Beschreibung der ersten Figur anfängt und die beiden danach unabhängig vom Geschlecht der Charaktere wechseln.
  • Felix‘ Stimme klingt etwas weiter weg als Juttas.

Erster Teil

  • Viele Wendungen haben mir gut gefallen, darunter „Schlummern unter weiß bezogenen Bettdecken“ und „Wie eine Welle zucken auch die anderen Schlafenden hoch“.
  • Was bedeutet das Wort „quirlig“ in „Quirlig verteilt sie Outfits auf der rechten Seite“? Das Wort lässt bei mir kein Bild entstehen.
  • Felix fängt die Dynamik fantastisch ein, als Contessa schnell Anweisungen gibt. Die Stimmen und die Sprechgeschwindigkeit passen perfekt in die Szene.
  • Es ist schwierig zu wissen, wer die einzelnen Figuren sind, besonders wenn man die Einführung nicht gehört hat. Ein kleiner Hinweis, ob es sich um Patienten oder Klinikpersonal handelt, würde mir ab und zu helfen.
  • „Von der Gruppe umgeben, steuert sie nach rechts.“ Könnte man statt „rechts“ ein Detail aus dem Bühnenbild nennen? Zum Beispiel „auf ein Bett zu“.
  • Jutta erwähnt einen Schwarzweißfilm in Zeitlupe. Was ist zu sehen?
  • Felix lässt Corinnas Lied lange für sich stehen. Ich kann mich dadurch theoretisch auf den Gesang konzentrieren. Auf der anderen Seite frage ich mich, was sie singt und Felix fängt erst nach einer Weile mit der Übersetzung an. Vielleicht wäre ein kurzer Kommentar dazu gut. Da der Gesang oft für sich steht, könnten Jutta und Felix eine Ankündigung in der Einführung machen und auch ein- oder zweimal während der Oper daran erinnern, dass viel wiederholt wird.
  • „Der weiße Wäschehaufen kriecht langsam nach rechts“ Hier wurde die Komik der Bewegung gut eingefangen.
  • Während das Publikum applaudiert, ist die Beschreibung schwierig zu hören.
  • „Lord Sidney lümmelt im Bett“ und „Er mampft Marshmallows.“ Die Verben fangen die Komik gut ein.

Teil 2

  • „ER singt in den Ausschnitt. Sehr lustig.
  • „Sich begehrend stehen sie eng zusammen.“ Woran sieht man das Begehren?
  • Durch die improvisierte Beschreibung während der Verbeugungen wirken Jutta und Felix greifbarer. Außerdem gibt es der recht lustigen Oper einen ebenso lustigen Abschluss.

Fazit

Die Kombination von Juttas und Felix’ Stimmen sind ein Traum. Ich habe besonders im ersten Teil der Oper sehr gerne zugehört, Juttas Wortwahl und Felix‘ verstellte Stimme genossen und der Musik gelauscht.
Meine Verbesserungsvorschläge beschränken sich auf einige wenige Details.
Felix: Generell finde ich, du solltest die verstellten Stimmen auf jeden Fall beibehalten. Du kannst dich natürlich an einigen Stellen etwas zurücknehmen, aber ich möchte anmerken, dass sehr viel von dem gestischen Slapstick-Humor verloren geht. Alles, was du also über die Stimme transportieren kannst, ist mir willkommen. Was den Gesang angeht, brauche ich unbedingt den Hinweis, dass ich nichts verpasse, wenn ich einfach dem Gesang lausche. Wenn z.B. Corinna schon eine Minute singt und ich keine Beschreibung bekomme, fühle ich mich im Dunkeln gelassen. Als Laie erkenne ich nicht jede Wiederholung. Ein kurzer Kommentar wäre mir also recht.
Jutta: Ich liebe es, dass du Verben wie „Mampfen“ und „lümmeln“ benutzt. So viel Komik kann über ein kleines Wort vermittelt werden. Es fällt mir außerordentlich schwer, zu verstehen, wer mit wem interagiert. Ich kann mir zwar die Namen merken, wenn ich sie ein paar Mal gehört habe, aber welche Rolle sie spielen (Klinikpersonal oder Patient) ist mir oft nicht klar. Vielleicht könntest du auch immer die Namen sagen und auf Pronomen verzichten. Manchmal wusste ich dadurch nicht, wer mit „sie“ oder „er“ gemeint ist. Wörter wie „rechts“ und „links“ kannst du, wenn sie nötig sind, durch konkretere Angaben, die sich auf das Bühnenbild beziehen, ersetzen. Manchmal habe ich das Publikum lachen hören und mich gefragt, was gerade lustig ist. Dadurch habe ich das Gefühl, dass einiges an Komik nonverbal vermittelt wird, was mir verborgen bleibt.
Alles in allem hat die Oper durch eure Beschreibung für mich stark dazugewonnen.

Wenn euch interessiert, wie Jutta und Felix die Audiodeskription von „Il Viaggio a Reims“ umgesetzt haben, meldet euch für den 9. April an. Karten für blinde und sehbehinderte Besucherinnen und Besucher kosten einheitlich 25 €. Ihr bekommt die Tickets bei Daniela Würschmidt unter wuerschmidt@deutscheoperberlin.de oder telefonisch unter 030 / 34 38 42 69.

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