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Fachtag des Berliner Spielplan Audiodeskription Teil 1

Posted in Allgemein

Am 8. April 2022 findet der Fachtag des Berliner Spielplan Audiodeskription statt. Passend zur Digitalisierung der letzten Jahre, wird der Tag sowohl über ZOOM als auch vor Ort in den Osramhöfen in Berlin Wedding abgehalten. Noch am Abend davor verbringen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Stunden damit, die hybride Lösung zu bewerkstelligen und Platz zu schaffen für AudiodeskriptorIn, einen Dolmetscher für englische Teilnehmerinnen und Teilnehmer sowie unsere PR-Mitarbeiterin, Eva-Katherina Jost, die den ZOOM-Raum überwacht. Fast wäre Eva in die Putzkammer verbannt worden. Zum Glück findet sich dann doch ein zwar kahler, aber putzeimerfreier Raum für sie.

Der Fachtag geht los!

Ich erlebe den ersten Teil des Fachtages digital mit.  Am Vormittag gibt es Vorträge, Reden und Diskussionen. Am Nachmittag folgen Workshops zu Audiodeskription, Blindenredaktion, Finanzierung, Audiodeskription in anderen Ländern, „Mit Ohren Sehen“ und viele mehr. Der Abschluss bildet ein Panel zum Thema „Theater für alle – wieder nur eine endliche Vision?“. In diesem Beitrag möchte ich besonders auf den Vormittag eingehen.

Eine Sprache für die Audiodeskription

Die Projektleiterin Imke Baumann führt in den Tag ein. Sofort ergeben sich einige Missverständnisse im digitalen Raum. Das Vormittagsprogramm wird von einer Audiodeskriptorin begleitet, die jedoch nur die analogen Teilnehmerinnen und Teilnehmer hören können. Warum es einen Dolmetscherkanal, aber keinen Audiodeskriptionskanal gibt, ist mir nicht klar. Glücklicherweise kann Eva einspringen und beschreiben, was gerade passiert und wer spricht.

Zuerst hören wir einen Video-Gruß von Klaus Lederer, Schirmherr des Berliner Spielplan Audiodeskription. Er spricht über die Wichtigkeit von Audiodeskription. Darauf folgt ein Vortrag der Professorin Nathalie Mälzer, die digital zugeschaltet war und zwei ihrer Studentinnen, Lena Schneider und Jennifer Wolf.

Frau Mälzer geht detailliert auf die Sprache der Audiodeskription ein. Generell bestehe die Forderung auf der einen Seite darin, pro Satz nur eine Botschaft zu vermitteln. Auf der anderen Seite verwenden Beschreibungen in Museen bereits interpretative und subjektive Sprache, manchmal aus der Ich-Perspektive, die beim blinden Publikum gut ankommen. Mälzer gibt allerdings zu bedenken, dass dies auch an dem Unterschied zwischen Museum und Theater liegen kann. Während Museumsbeschreibungen keine Zeitbegrenzung haben, muss sich Audiodeskription am Theater an die Sprechlücken halten. Das erlaubt weniger Zeit für die subjektive Gestaltung von Audiodeskription. Mälzer nennt die Integration der Audiodeskription in die Produktion eines Theaterstücks als eine Möglichkeit, sich von zeitlichen Beschränkungen zu befreien.

Wie beschreibt man einen Theatercharakter?

Auf Frau Mälzer folgt ein Vortrag von zwei Studentinnen, die als Praktikantinnen an der Evaluation des Projekts „Berliner Spielplan Audiodeskription“ beteiligt waren. Ihr Fokus liegt auf der Herausforderung der Beschreibung von Theaterdarstellerinnen und -darstellern sowie auf der Einführung in Stücke mit Audiodeskription. Insbesondere haben sie sich die Stücke „Don Quijote“, „Max und Moritz“, „Woyzeck Interrupted“ und die „Dreigroschenoper“ vorgenommen. Sie stellen fest, dass die Beschreibung der Figuren zweigeteilt ist. Zum einen wird der Schauspieler beschrieben, zum anderen die Figur. Beides halten sie für wichtig, da sich das Aussehen unterscheiden kann. So ist Sancho Panza in „Don Quijote“ ein korpulenter Mann, der von einem muskulösen Schauspieler verkörpert wird. In „Max und Moritz“ werden die beiden Jungen von weiblichen Schauspielerinnen gespielt. In der Einführung zu „Don Quijote“ wird zuerst der Schauspieler und dann die Figur beschrieben. Körperliche Merkmale, die sowohl Schauspieler als auch Figur gemeinsam haben, werden nur einmal für beide beschrieben. Wenn es wie bei Sancho Panza Unterschiede zwischen dem Körper des Schauspielers und der Figur gibt, deutet die Audiodeskriptorin die Grenze zwischen beiden häufig mit „Als Sancho Panza trägt er…“ an.

Audiodeskription: Grundnahrungsmittel oder Sahnehäubchen?

Bevor es in eine wohl verdiente Mittagspause geht, wird weiterdiskutiert. Imke leitet ein Konferenzspiel, bei dem immer zwei Teilnehmende öffentlich miteinander diskutieren. Einer der beiden wird stetig ausgewechselt, sodass mehrere Statements zu hören sind. Das Ganze geschieht sowohl digital als auch analog, allerdings kommen hauptsächlich analoge Teilnehmende zu Wort.

Das Thema des Spiels lautet „Audiodeskription am Theater: Grundnahrungsmittel oder Sahnehäubchen?“ Der Konsens ist, dass Audiodeskription bislang noch ein sahne Häubchen ist, aber für das blinde Publikum ein Grundnahrungsmittel darstellt. Besonders Theater müssten noch zum Sahnehäubchen überredet werden. Auf der anderen Seite gibt es Wortmeldungen von verschiedenen Theatervertreterinnen und -vertretern. Einige davon wie Kampnagel in Hamburg, dem Schauspiel Leipzig, dem Musiktheater Bielefeld und dem Staatstheater Braunschweig bieten regelmäßig Vorstellungen mit Audiodeskription an. Diese sind teilweise fremdfinanziert, in Eigeninitiative oder ehrenamtlich. Die Frage nach der Finanzierung taucht häufiger auf. Rentiert sich Audiodeskription, wenn nur wenige Zuschauerinnen und Zuschauer kommen? Ein Audiodeskriptor ist der Meinung, wenn man weitermacht, wird es sich irgendwann rentieren. Matthias Döpke vom Schauspiel Leipzig meint dazu, dass Theater sich nie lohne und ohnehin nicht so viele Blinde und Sehbehinderte kommen könnten, dass sich eine Audiodeskription zurückzahle.

Der erste Teil geht in die Mittagspause

Einig sind sich zumindest die Anwesenden, dass sie Audiodeskription wollen. Wie sie durchgeführt und finanziert werden soll, darüber herrscht noch Uneinigkeit. Am Nachmittag finden unter anderem Workshops zum Thema Finanzierung und Publikumsansprache statt. Jetzt ist allerdings erst einmal Mittagspause. Für die digital Zugeschalteten läuft währenddessen der 15. Podcast des Berliner Spielplan Audiodeskription. Den möchte ich euch hiermit auch ans Herz legen. Teil 2 des Fachtagberichts folgt in der nächsten Woche. Ich werde hauptsächlich auf das Panel am Abend eingehen. Bis dahin frohe Ostern 2022!

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