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„Caligula“ von Albert Camus – Eine beklemmende Inszenierung voller philosophischer Fragen

Posted in Theaterrezension

 „Die Welt, der Schmerz, die Erde, die Menschen, die Mutter, die Wüste, die Ehre, das Elend, der Sommer, das Meer.“

Mit diesen zehn Lieblingsworten Albert Camus‘ beginnt „Caligula“ am Deutschen Theater Berlin. In diesem Stück geht es um den römischen Kaiser Caligula, der nach dem Tod seiner Schwester und Geliebten durchdreht und willkürlich seine Untertanen umbringt, um sich an ihnen zu rächen. Das Stück wirft einige philosophische Fragen auf, wie beispielsweise die Frage nach Freiheit und ihren Grenzen. Was kann sich ein Mann in einer absoluten Machtposition erlauben, um diese Freiheit zu erlangen? Eine besonders in Zeiten von Krieg relevante Frage, auf die das Stück eine düstere Antwort gibt.

Bereits 2020 zeigte das Deutsche Theater Berlin „Die Pest“ von Albert Camus mit Audiodeskription in einer auf Corona angepassten Version. Der Schauspieler trug damals eine Maske und ging alleine durch die deprimierend leeren Räume des Theaters.

Nun, zwei Jahre später, hatte ich die Gelegenheit, das Theaterstück „Caligula“ in einer Inszenierung von Lilja Rupprecht und mit Darstellerinnen und Darstellern des Theaters RambaZamba am Deutschen Theater Berlin am 27. April zu besuchen. Die Vorstellung wurde mit einer Audiodeskription für Blinde und Sehbehinderte gezeigt und es gab eine Tastführung, bei der wir Requisiten betasten und etwas über Camus‘ Philosophie lernen konnten.

Ein Friedhof auf der Bühne

Die beklemmende Stimmung beginnt bereits beim Betreten der Bühne. Für die Tastführung im Vorfeld hat sich das Deutsche Theater viel Zeit genommen. Wir lernten einige Mitwirkende kennen, betasteten die Requisiten und bewanderten die Bühne. Das Stück ist mit ungefähr fünf blinden und sehbehinderten Zuschauerinnen und Zuschauern gut besucht.

Die Bühne war düster und erinnerte an einen Friedhof mit ausgebeulten Grabsteinen und einem gigantischen Ballon, der den Mond darstellen sollte. Alles war schwarz oder grau. Die Kostüme wirkten hingegen extravagant. So trug Caligula einen Fat Suit, in dem er später die Venus darstellen sollte. Darüber hinaus hielten wir hochhackige Schuhe, einen mit Pailletten besetzten Anzug und mehrere Masken in der Hand, die mir mit ihren drei Löchern für Augen und Mund geisterhaft erschienen. Die Puppe, die Caligula später im Stück gebären sollte, und das Schaukelpferd erinnerten mich an das kleine Kind, das in jedem von uns steckt und trotz aller Gräueltaten nach Liebe verlangt. Im Falle von Caligula ist es jedoch eine zerstörerische Liebe, die in Tod und Vergewaltigung endet.

Freiheit auf Kosten anderer

Ein Kaiser, der jeden umbringt, den er liebt und am Ende ganz alleine dasteht. Die Brutalität des Stücks prasselt unaufhörlich auf mich ein. Niemand wird von dem Freiheitsstreben und dem Machtwillen von Caligula verschont – nicht seine Untertanen, nicht seine besten Freunde, nicht seine Frau. Er sucht nahezu nach Vorwänden, alles und jeden um sich herum umzubringen. Das Stück wirkt wie ein unbarmherziger Spiegel von Menschen in Machtpositionen. Mir persönlich bleibt die Frage nach der persönlichen Freiheit im Gedächtnis. Wie erlangt man Freiheit? Die Antwort des Stücks lautet, dass die persönliche Freiheit immer auf Kosten der Freiheit anderer erlangt wird.

Die Audiodeskription von Caligula

Die Audiodeskription war gut integriert. Zum Teil habe ich sie kaum noch als Audiodeskription wahrgenommen, so gut konnte ich mich auf sie einlassen. Die Sprecherin hatte eine fantastische Stimme. Allerdings hätte ich mir gewünscht, dass sie mehr Details zu den Kostümen erwähnt, wie beispielsweise wann Caligula den Fat Suit tragen würde. Auch fand ich es überflüssig, als beschrieben wurde, dass sich eine Figur diesmal nicht hinkniet. Ich kann den Impuls verstehen, da sich die Audiodeskriptorin wahrscheinlich anhand eines Videos vorbereitet hat. Trotzdem muss sie offen für Improvisation sein.

Eine intensive Erfahrung

Insgesamt war „Caligula“ eine herausfordernde und intensive Inszenierung, die mich tief berührt hat. Die Inszenierung und das Bühnenbild unterstützten die düstere und beklemmende Stimmung des Stücks, und die schauspielerische Leistung war beeindruckend. Es war jedoch auch schwer zu ertragen, da viel geschrien wurde und die Hauptfigur zutiefst deprimierend war. Ich würde das Stück denjenigen empfehlen, die bereit sind, sich mit unangenehmen Themen zu befassen und vor einer intensiven Erfahrung nicht zurückschrecken.

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