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Der Ton macht die Musik – auch bei Audiodeskription

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Auch bei Audiodeskription spielt der Ton eine wichtige Rolle. In einem Interview verrät Felix Koch, freier Musiker und Kulturarbeiter, was Musik und Audiodeskription gemeinsam haben. Als Audiodeskriptor für den BSA hat er unter anderem an der Beschreibung der Oper „Jenufa“ mitgeschrieben.

LAVINIA: Wie bist du eigentlich zum Theater gekommen?

FELIX: Das ist auch eine relativ komplizierte Geschichte, weil ich nach Berlin gekommen bin, um Sozial- und Kulturanthropologie und Geschichte an der FU Berlin zu studieren. Der zweite Grund nach Berlin zu ziehen, war für mich die große experimentelle Musikszene. Neben dem Studium habe ich relativ viel Musik gemacht, aber eher im alternativen Popbereich. Wir haben irgendwelche Songs geschrieben – mit einem Singer/Songwriter, und ich habe mit einer anderen Musikerin alternative Arrangements gemacht. Ein Freund, der angefangen hat, eigene Theaterproduktionen zu machen, hat mich einmal gefragt, ob wir mal zusammen ein Theaterstück machen wollen und so haben wir ein Theaterkollektiv gegründet, mit weiteren Theaterkünstlern und haben zwei Musiktheaterproduktionen gemacht, bei denen ich hauptsächlich Musik gemacht habe, aber auch auf der Bühne stand.
Meine künstlerische Perspektive ist eher musikalisch. Sowohl vom Hören her, als auch vom Denken. Als ich angefangen habe, zu lernen, was Audiodeskription bedeuten kann, konnte ich vor allem darüber eine Brücke schlagen, über den Rhythmus. Ich habe gemerkt: Es ist total spannend, die Lücken zu füllen, sowohl im Live-Theater, wo man sich an den Rhythmus, der an dem Abend da ist, anpassen muss, als auch im Film, wo der Rhythmus durch das aufgenommene Medium schon da ist. Darüber habe ich das Gefühl, mein Zugang ist auf eine Art musikalisch.

LAVINIA: Wie bist du zur Audiodeskription gekommen?

FELIX: Das hat so angefangen, dass wir uns vor anderthalb Jahren ein Festival ausgedacht haben: „Der Klang der Dinge“, experimentelles Theater an der Schaubude Berlin. Für dieses Festival hatte sich die Schaubude überlegt, es wäre total gut, wenn wir anfangen, uns mehr zu öffnen: Barrieren abbauen fürs Theater. Dann haben wir genau überlegt: Welche Barrieren haben wir da und welche davon können wir vielleicht abbauen? Dann ist uns die Idee gekommen, dass es vielleicht interessant sein könnte, für ein blindes und sehbehindertes Publikum einen extra Zugang anzubieten. Wir haben uns mit Imke Baumann getroffen, die uns beraten hat, haben dann ein bisschen recherchiert und sind auf Anke Nicolai gestoßen, die bei dem Festival für einen Abend Audiodeskription angeboten hat. In dem Zuge hat mir Anke Nicolai erzählt, dass es auch von Förderband e.V. den Berliner Spielplan Audiodeskription gibt. Weil ich frei arbeite, habe ich mich beworben und so bin ich überhaupt dazu gekommen.

LAVINIA: Wie läuft das denn ab, wenn man sagt: Wir wollen eine Audiodeskription zu einer Oper wie „Jenufa“? Wer ist daran beteiligt und wie arbeitet ihr zusammen?

FELIX: Beim Berliner Spielplan Audiodeskription war es so, dass wir die Anfrage bekommen haben: Es gibt dieses oder jenes Stück. Hast du Lust, mitzumachen? Dann haben wir uns abgesprochen: Wer übernimmt welchen Teil? Das war während des Lockdowns, mit „Jenufa“, der Höroper, das heißt, ich habe ein Video bekommen, ich hatte vorher auch nicht die Chance das live zu erleben und musste dann an meinem Laptop relativ abstrahieren und alleine gucken: Okay, was mache ich jetzt? Und dann war es total gut, wirklich Schritt für Schritt vorzugehen, zu gucken: Wo sind die Lücken und sich dann da entlang zu hangeln. Und dann haben wir das Skript nicht alleine gemacht, sondern zu zweit, die zweite Person war Anke Nicolai. Und dann haben wir uns gegenseitig unsere Teile geschickt und uns per E-Mail abgesprochen: „Guck mal die Stelle, da hatte ich dir doch da was markiert. Was denkst du, wie können wir das lösen? Dadurch, dass Anke viel erfahrener ist, ist das für mich ein toller Lernprozess gewesen, zu sehen: Wenn man sich konzentriert, dann passt da in die Lücke auch noch etwas rein und man hört trotzdem noch die Musik.

LAVINIA: Wie kommt es, dass es bei „Jenufa“ zwei Audiodeskriptorinnen gab?

FELIX: Es gab relativ viel Text und da alles über den Stream zu hören sein sollte, war von vorneherein die Idee, eine Stimme für die Untertitel und eine für die Beschreibung zu haben, um sich als ZuhörerIn gut orientieren zu können. Dementsprechend war es gut, beim Schreiben zu wissen: Es wird zwei Stimmen geben. Dadurch konnten wir manchmal auch die Untertitel kurz unterbrechen und in eine Lücke nochmal eine Beschreibung reinsetzen, dann die Untertitel wieder weitersprechen lassen.
Im Nachhinein würde ich sagen: Ich habe zu vorsichtig getextet. Dann habe ich von Anke das Feedback bekommen: „Guck mal, da kannst du noch eine Beschreibung einpassen.“, weil ich gemerkt habe: Um meine Sätze kürzer zu machen, habe ich zum Teil sehr nüchtern formuliert. Dadurch werden zwar die Sätze kürzer, (das heißt, wir hören mehr Musik) aber wo bleiben die Emotionen von der Oper? Es ist immer total schwierig zu entscheiden, wo gehst du rein, wo gehst du nicht rein? Manchmal hatte ich das Gefühl, gerade weil ich sehr musikalisch denke: Das lassen wir jetzt einfach stehen! Im Endeffekt ist es eine Erfahrung, die von Person zu Person unterschiedlich ist: Möchte ich mehr von der Beschreibung mitbekommen oder die Musik hören? Ich glaube, das unterscheidet sich auch davon, ob ich live im Theater sitze und dann natürlich das Gefühl habe, ich will jetzt auch mehr wissen, was hier passiert in diesem Raum, oder ob ich es mehr über Kopfhörer oder meine gute Stereoanlage zu Hause anhöre.

LAVINIA: Ist es coronabedingt, dass man weniger zusammenarbeitet und würde man sich sonst regelmäßiger treffen?

FELIX: Vor Corona waren die Redaktionsabnahmen ein gemeinsames Treffen, wo man nebeneinandersitzt und auf das Skript guckt, dann direkt darüber nochmal sprechen kann, im Team, mit allen Beteiligten. Das sind total wichtige Prozesse und das ist schon schade, dass das im Moment wegfällt. Es ist natürlich gut, dass es trotzdem geht und es gibt auch Ersatzmöglichkeiten, wie Telefon, oder über Video-Telefonie. Ich habe nicht das Gefühl, das etwas von der Qualität verloren geht, die am Ende zustande kommt, aber schon von der Qualität des Arbeitsprozesses, also für die Beteiligten selbst. Ich glaube, es ist schwieriger, sich zu konzentrieren.

LAVINIA: Bist du in Zukunft eher für Live-Theater im Vergleich zu Live-Streams?

FELIX: Ja, generell bin ich auf jeden Fall für den Live-Moment. Als Musiker, Konzerte zu spielen, live, mit anderen Personen in einem Raum zu sein, das Gefühl und die Energie miteinander zu teilen ist etwas Unmittelbares. ich glaube, das ist ein Erfahrungsprozess, sich gemeinsam in einem Raum zu befinden, gemeinsam etwas zu erleben. Da können solche Streaming-Angebote nur ein Ersatz sein.

LAVINIA: Du bist auch nicht für ein Parallelangebot?

FELIX: Nein, das würde ich gar nicht sagen. Ich habe z.B. das Gefühl, es ist ja auch schön, wenn ich wieder auf die Musik gucke: Es gibt Radio, es gibt CD und es gibt Konzerte und es gibt auch Musikvideos, die ich mir auf Youtube anhöre oder Fernsehen oder Konzertmitschnitte. Das sind alles Sachen, die legitim sind, aber ein eigenes Medium. Als Zuhörer würde ich mir nicht unbedingt jedes experimentelle Musikkonzert auf meinem Computer anhören. Ich bin einfach dann ein Mensch, der geht live zu dem Konzert. Dann kann das für mich total spannend sein, aber das würde ich mir niemals auf CD anhören.
Das sind so individuelle Entscheidungen, und darum finde ich es gut, wenn es diese Angebote gibt. Und wenn diese Sachen auch für Theater und Oper mitgedacht werden, dann sind das total tolle Angebote, die meiner Meinung nach auch weitergehen können. Es könnte auch im Radio sein, als Podcast. Dann ist es vielleicht auch für sehende Menschen spannend, sich einfach eine Oper mit Beschreibung anzuhören, ohne, dass sie irgendwas sehen. Das kann ich mir auch vorstellen.

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