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Saalprüfung von „1984“ am Berliner Ensemble

Posted in Theaterrezension

Wieder einmal sitze ich zu einer Saalprüfung im Theater. Diesmal ist es das Stück „1984“ nach einem Roman von George Orwell im Berliner Ensemble. Meine letzte Saalprüfung war „Carmen“ in der Deutschen Oper. Das liegt schon eine ganze Weile zurück. Deswegen freue ich mich heute darauf, als einzige, neben Projektleiterin Imke und meiner Arbeitsassistentin Krissy, die Audiodeskription von Tania Eichler hören und Feedback geben zu dürfen.

Während das Stück losgeht, sitze ich mit meinem halb eingeklappten und verdunkelten Laptop auf dem Schoß und schreibe mit. Viel anzumerken habe ich nicht, denn das Stück lässt nur wenige kurze Pausen, in die Tania hineinsprechen kann. Die vier Winstons lösen sich derart übergangslos beim Sprechen ab, dass ich beeindruckt bin, dass Tania überhaupt eine Lücke gefunden hat. Am Ende schicke ich ihr meine Notizen, die sie gleich am nächsten Tag in der Premiere der Audiodeskription umsetzen kann. Hier sind sie:

Liebe Tania,

du hast eine sehr angenehme Stimme, tief und ruhig. Ich habe an der Audiodeskription so gut wie gar nichts auszusetzen. Du hast immer in die Lücken gesprochen. Der Text gab die Handlung wieder. Ich konnte gut verfolgen, was geschah. Einige besonders schöne Wendungen habe ich markiert, genauso wie einige für mich schwierig verständliche. Eine kleine Anmerkung zum Rauschen des Empfangs:  Man hört es leider sehr deutlich, wenn du das Gerät ein- und ausschaltest. Vielleicht schafft ihr es, das Rauschen etwas zu reduzieren?

Einführung

  • Der Saal sollte ganz am Anfang beschrieben werden. Dann kann die Kostümbeschreibung direkt auf die Stückbeschreibung folgen. Außerdem klingt es für mich logischer, wenn man mit dem Allgemeinen (dem Saal) anfängt und dann immer detaillierter (Stück, Bühne  und Kostüme) wird.
  • Bühnenbild: Genaue Zentimeterangaben finde ich persönlich verwirrend. „Ein zum Saal offenes Dreieck“ funktioniert als Bild. Ich frage mich nur, warum die schattenhaften Muster bedrohlich wirken? Wirken sie irgendwie lebendig oder liegt es am Kontrast? Sind die Kanten besonders scharf?
  • Kostüme und Figuren: Die Kostümbeschreibung ist sehr gut verständlich, denn die Kostüme sind minimalistisch – alle Winstons tragen Anzüge in changierenden Grautönen und Julia trägt einen beigefarbenen Trenchcoat.
  • Ich verstehe nicht, was mit Kaleidoskopeffekt gemeint ist. Könnte das konkretisiert werden, zum Beispiel, indem gesagt wird, dass vor den Spiegeln eine Person zu einer ganzen Menschenmasse wird? Ich habe nie ein Kaleidoskop gesehen.
  • Insgesamt ist es eine informative und mit zehn Minuten überschaubare Einführung.

Stück

  • Tania sagt: „Sie tuscheln.“ Das kann ich hören.
  • Tania sagt: „Sie begegnen sich im Gespräch.“ Das ist gut nachvollziehbar.
  • Tania sagt: „Sie umarmen sich und imitieren Sex.“ Wie tun sie das? Welche Bewegungen machen sie konkret?
  • Tania sagt: „wie Urinale in einem Pissoir.“ Das ist ein tolles Bild.
  • Tania sagt: „Die Längsstützen und Querstreben bilden ein geometrisches Muster.“ Das ist etwas abstrakt. Wie sieht das Muster konkret aus bzw. wie wirkt es?
  • Tania sagt: „Von rechts ergießt sich rötliches Licht über die Wand wie Morgenröte.“ Das ist ein Superbild.
  • Tania sagt: „…Und bringt ihre Lippen…“  was? Du kannst gerne zu Ende sprechen, da ich mich sowieso schon frage, was du sagen wolltest.
  • Tania sagt: „wird durch die Spiegelung zum Pulk. Das ist ein tolles Bild.
  • Tania sagt: „Ähneln einer buddhistischen Gottheit mit acht Armen.“ Welcher Gottheit ähneln sie?

Pause

Die Pausenregelung ist unklar. Sollen wir in der Pause sitzen bleiben? Verpassen wir etwas, wenn wir rausgehen? Erzählst du weiter? Eine kleine Anmerkung dazu wäre hilfreich.

Nach der Pause

  • Ich frage mich, ob die Schatten der Streben wie Gefängnisgitter wirken.
  • Tania sagt: „Die Schatten werden breiter, als würden sie die verstreichende Zeit markieren.“ Toll!
  • Tania sagt: „Die vier hängen in Folterpose.“ Was bedeutet das? Nehmen sie alle dieselbe Pose ein?
  • Tania sagt: „Es erinnert an Gitterstäbe.“ Das ist ein Superbild.

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