Vor einem Jahr an Weihnachten hatte es nicht geklappt, das Stück „Pythonparfum und Pralinen aus Pirgendwo“ von Gregory Caers live am Theater an der Parkaue und noch dazu mit Audiodeskription zu zeigen. Stattdessen mussten wir uns mit einer Online-Variante begnügen. Die war zwar durchaus farbenfroh gestaltet, besonders durch den Klangteppich, der von Tanja Parnier unter das Stück gelegt wurde, aber als Aufnahme ging doch einiges von der Dynamik und Präsenz der Figuren verloren. 2021 wurde das Stück zu Weihnachten erneut gezeigt – diesmal mit einer Tastführung im Theater und Live-Publikum. Die Audiodeskription wurde von Joyce Ferse gesprochen.
Vor Ort ist es besser
Ich kann gar nicht ausdrücken, wie sehr ich es genieße, am 28.12. mal wieder ins Theater zu gehen. Zwar merke ich bereits an den Maßnahmen, dass es kein ganz normaler Theaterbesuch ist, denn ich muss meinen Impfnachweis, einen negativen Corona-Test, meinen Personalausweis und meine Ticketreservierung vorzeigen und mich einchecken. Aber wenn ich dafür eine Tastführung bekomme, soll es mir recht sein. Ich muss jedoch sagen, dass ich mich in dem provisorischen Gebäude (zurzeit finden Umbauten auf dem Gelände statt) und durch den Papierkram schon ein wenig wie auf einem Flughafen fühle. Das Gefühl verschwindet, als wir den Gott sei Dank geheizten Theatersaal betreten und die Tastführung losgeht.
Die Tastführung geht los!
„Pythonparfum und Pralinen aus Pirgendwo“ handelt von sechs Gästen, die in einem Hotel einchecken. Das Besondere an diesem Stück ist, dass fast gar nicht gesprochen wird. Zu hören ist stattdessen ein Klangteppich, der sich den einzelnen Charakteren anzupassen scheint. Darunter ist eine Tennisspielerin, eine Dame mit Hut, eine andere mit Pelz, eine Bruchpilotin, ein bleicher Herr und ein Tierforscher. Darüber hinaus kümmern sich der Piccolo und der Hausgeist Hanni um die Gäste.
Jeder Gast bringt einen Koffer mit. Einige der Koffer halten wir zu Beginn der Tastführung in den Händen. Der des bleichen Herren beinhaltet einen Kamm und ein Maßband, mit dem er die Gliedmaßen der anderen ausmisst. Der des Tierforschers ist beige und enthält nichts, soweit ich das erfühle. Dann bekommen wir noch die Hutschachtel der Dame mit Hut in die Hand. Sie ist rund mit Griffen aus Leder. Auf die Koffer folgen Stoffproben. Hanni trägt ein dünnes Kleid mit Blümchenmuster, der Piccolo einen Anzug aus Filz, der sich besonders schön anfühlt. Das Highlight ist die Dame mit Pelz, die persönlich in ihrem Kostüm auftritt und sich betasten lässt. Sie trägt natürlich einen Kunstpelzmantel mit einer Pelzmütze und dazu feste Stiefel aus (Kunst-)Leder.
Ein gemütliches Hotel
Nachdem wir Kostüme und Requisiten in der Hand halten durften, gehen wir in drei Gruppen nacheinander auf die Bühne. Mehrere Theatermitarbeiter*innen erklären uns, was wir gerade ertasten. Da wäre der Tresen mit der Klingel, die ich gleich mehrmals betätigen muss. Leider kommt niemand. Daneben steht eine Reihe von Kinoklappsitzen. In der Mitte der Bühne ist die Eingangstür. Links daneben ist ein Fahrstuhl. Der funktioniert allerdings nicht. Stattdessen können die Schauspieler*innen durch eine weitere Tür über eine Treppe in den ersten Stock gelangen. Ganz links befindet sich ein Lounge-Bereich mit Sesseln, einer Zeitung und Teetassen. Die Sessel sind gemütlich, aber ich muss noch einmal auf die Klingel drücken!
Die Figuren verschwinden im Klangteppich
Ein Stück mehrmals zu sehen, hat natürlich den Vorteil, dass ich schon weiß, was auf mich zukommt. Trotzdem ist es etwas anderes, die Schauspieler*innen, zumindest teilweise, über die Hintergrundmusik hinweg wahrnehmen zu können, weil sie sich bewegen und manchmal sogar Laute ausstoßen. Auch bin ich wieder einmal begeistert von Joyces Stimme, die sich wundervoll in das Stück einfügt. Durch die vorangegangene Tastführung weiß ich genau, was Joyce meint, wenn sie beschreibt, wo die Figuren gerade sind. Hätte ich wie in der Online-Version des Stücks nur ihre Bühnenbeschreibung gehabt, hätte ich kein so klares und besonders selbstertastetes Bild bekommen.
Bereits im Stream hat mir die Klangarbeit von Tanja Parnier unglaublich gut gefallen. Hätte das Stück nicht auch aus den Handlungen der Schauspieler*innen bestanden, hätte ich ebenso gut nur der Musik lauschen können und wäre zufrieden gewesen. Weil die Gesten der Schauspieler*innen jedoch eine Rolle spielen, wären einige Momente der Stille im durchgängigen Klangteppich hilfreich gewesen, damit ich zumindest Teile der Handlung mit eigenen Ohren erleben kann. Ohne Joyces Beschreibung hätte das Stück auch ein Konzert sein können.
Ein liebevoller Einstieg in Theater mit Audiodeskription
Insgesamt hat das Stück für mich durch die Live-Vorstellung dazugewonnen. Allein die Tastführung macht den Theaterbesuch zu einer wertvollen Erfahrung. Darüber hinaus bekomme ich durch die Stimmung im Saal, durch die Reaktion der anderen Zuschauer*innen und dadurch, dass ich weiß und ein wenig auch wahrnehme, dass richtige Menschen live auf der Bühne sind, so viel mehr von dem Theaterstück mit als vor einem Jahr. Meiner Meinung nach war das ein liebevoll ausgerichteter Einstieg des Theaters an der Parkaue in Vorstellungen mit Audiodeskription. Wie aufmerksam sich die Mitarbeiter*innen des Theaters um uns gekümmert haben, war grandios. Ich freue mich für meinen Teil bereits auf das nächste Stück.
Falls ihr mehr über die Handlung von „Pythonparfum und Pralinen aus Pirgendwo“ erfahren wollt, lest gerne meinen Blogpost „Ein wortarmes Familienstück wird farbenfroh“.
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