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Zum Beispiel Bienen: Ein Kinderstück mit Audiodeskription

Posted in Theaterrezension

Die Bienen schwirren zum letzten Mal in diesem Jahr und das sowohl durch die kälter werdenden Tage Berlins als auch durch das Feldtheater für junges Publikum. In einem bunten, haptischen und  akustischen Schauspiel zeigt die Theatergruppe „Die Ordnung der Dinge“, wie abgestimmt die Arbeitsschritte der Bienen sind, was passiert, wenn eine neue Königin eintrifft und wie die Bienen sich ein neues Zuhause suchen. Das alles begleitet durch die Audiodeskription und Tastführung, die von Jutta Polic geleitet und eingesprochen wird.

Ein echtes Dreamteam!

Das Stück „Zum Beispiel Bienen“ zeigt die Arbeiten, die in einem Bienenstock tagtäglich anfallen. Die alte Königin ist ausgeflogen, sodass nur noch ein paar Arbeiterinnen zurückbleiben, um den Bienenstock sauber zu halten, Pollen zu sammeln, sich um die Eier und Larven zu kümmern, sicherzustellen, dass die Temperatur bei genau 35 Grad liegt und um die Qualität des Honigs zu kontrollieren. Es entsteht ein Tanz, in dem jede Biene ihren Aufgaben nachgeht, ohne dass eine der anderen im Weg steht. Ein echtes Dreamteam! Dann kommt die neue Königin an und die Biennen schwärmen aus, um einen neuen Bienenstock zu finden. Dabei begegnen sie einigen anderen Insekten – zwei Ballonfliegen, zwei Grashüpfern und einer Obstfliege, deren Kostüme sich für Insekten überraschend glatt und geschmeidig anfühlen. Letztlich finden die Bienen ein neues Zuhause und die Arbeit beginnt von vorne. Kommentiert wird das Stück von einer Off-Stimme, die wie in einem Dokumentarfilm interessante Infos zum Verhalten der Bienen gibt. Wusstet ihr, dass Bienen im Bienenstock eine Temperatur von 35 Grad brauchen, weil die Larven ansonsten nicht überleben? Ist es zu kalt, schlagen die Bienen so lange mit ihren Flügelchen, bis die Temperatur wieder optimal ist. Das halten sie für bis zu einer halben Stunde aus, was ich persönlich eine Leistung finde, wenn ich an meine tägliche Sporteinheit denke.

Bevor das Stück beginnt

Einer meiner Lieblingsstellen des Stücks findet statt, bevor das Stück überhaupt beginnt – die Tastführung. Als ich bei der Performance zu „Hamlet“ ein Mottenkostüm anfassen sollte, habe ich mich das fast nicht getraut. Diesmal bin ich weitaus mutiger, vielleicht, weil mir ein blindes Kind voranschreitet. Die vier Darsteller*innen tragen die vier Kostüme, und wir können eines nach dem anderen betasten. Zuerst die Biene. Sie ist sehr flauschig, besonders ihr Hinterteil. Das Einzige, was fehlt, ist der Stachel. Ansonsten hätte ich dieses Insekt am liebsten umarmt. Ich kann mich aber zurückhalten und gehe stattdessen zur Ballonfliege. Habt ihr schon einmal von einer Ballonfliege gehört? Ich jedenfalls nicht. Ihr Kostüm ist glatt und glitzernd, weil besonders ihr Kopf mit Pailletten geschmückt ist. Vor dem Bauch hält sie einen enormen Luftballon. Anscheinend präsentieren männliche Ballonbienen dem paarungswilligen Weibchen einen selbstgemachten Ballon, in dem auch gerne kleine Geschenke sein können.  Romantisch, oder? Ich würde mir zwar keine in einen Ballon eingepackten Insekten als Geschenk wünschen, aber jeder nach seinem Geschmack. Als nächstes kommt die Obstfliege, und ich kann ehrlich sagen, dass ich bisher buchstäblich blind war für die Diven gleiche Schönheit der gemeinen Küchenfliege. Ihr Kostüm besteht aus einer Art Lederkorsett. Außerdem verfügt sie über Hörner mit Lederstreifen, die ihr wie ein Vorhang vor den Augen hängen. Diese Diva ist allerdings schon etwas ramponiert. Sie hat nur noch einen Flügel. Als letztes kommt der Grashüpfer. Er ist mein Liebling und das nicht nur, weil sein Kostüm in meiner Lieblingsfarbe Grün gehalten ist, sondern vor allem, weil er Laute machen kann. Er trägt „Geta“, japanische Holzschuhe, an den Füßen, die laut klackern, wenn er geht. An seinen Handgelenken sind Klettverschlüsse, die wie Zirpen klingen, wenn er sie auseinanderreißt. Außerdem gibt es an seiner Hüfte einen kleinen Plastikpanzer, der ein ratschendes Geräusch macht, wenn er mit den Händen darüber geht. Nachdem wir die Darsteller*innen und ihre Kostüme kennengelernt haben, befühlen wir die einzelnen Etappen: einen Honigzapfhahn, einen Eimer mit Wasser und einen Besen, Pollen aus Plüsch, glitschige Eier aus kleinen Bällen, die im Wasser schwimmen und angedeutete Honigwaben. Ich bin begeistert davon, was es alles zu befühlen gibt.

Ein grober Eindruck

Bevor das Stück beginnt, werden uns kleine Papiertüten ausgehändigt mit der Aufforderung, sie erst später zu öffnen. Ich hätte mich auch bestimmt darangehalten, hätte das blinde Mädchen neben mir ihre Tüte nicht auch schon geöffnet. Wie sich herausstellt, können verschiedene Sachen in der Tüte sein, die jeweils ein Geräusch wie der Grashüpfer machen. Ich bekomme einen Klettverschluss. Später wird damit der gesamte Raum eine Sommerwiese nachstellen. Ich liebe diesen interaktiven Teil, weil ich in diesem Augenblick keine Übersetzung brauche. Ich kann wie alle anderen Kinder einfach mitspielen.  Dieser Teil hat viel besser funktioniert als der in dem Kinderstück „Alle Augen staunen“, wo es nur einen rein visuellen Workshop am Ende gab, den die Audiodeskriptorin nicht vermitteln konnte.

Juttas Beschreibung kann mir im Groben einen Eindruck davon geben, was auf der Bühne passiert, aber besonders im Nachgespräch mit Sehenden stelle ich fest, dass diese Abgestimmtheit der Bienen und ihre Arbeitsschritte in der Beschreibung untergegangen ist. Manchmal bin ich mir auch nicht sicher, wer von den vier Performer*innen gerade auf der Bühne ist. Da sie ständig ihre Kostüme wechseln, weiß ich meistens nicht, wer genau gerade die Biene spielt und wer beispielsweise die Obstfliege. Jutta beschreibt zwar auch das am Anfang, aber merken kann ich es mir nicht. Trotzdem bin ich davon beeindruckt, wie gut die Bewegungen beschrieben werden, besonders, als mir Jutta hinterher erzählt, dass vieles improvisiert ist.

Ich weiß jetzt mehr über Bienen!

Zum Schluss kann ich nur sagen, dass ich mir mehr Familien- und Kinderstücke mit Audiodeskription wünsche, da hier immer mehr Sinne angesprochen werden, als nur das Visuelle. „Zum Beispiel Bienen“ hat Musik, eine Erzählerstimme, Darsteller*innen, Hintergrundgeräusche und interaktive Spielzeuge, die wir aber leider nach der Vorstellung wieder abgeben müssen. Ich kann ehrlich sagen, dass ich jetzt mehr über Bienen weiß als vorher, und das, obwohl ich ein schon etwas älteres Kind bin.

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