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Metropolis im Theater: Die Audiodeskription ist zweigeteilt

Posted in Theaterrezension

Wer zur Unterschicht gehört, muss Tag und Nacht schuften. Wer zur Oberschicht gehört, kann sich in Gärten vergnügen und in Clubs berauschen lassen. Die „Metropolis“-Inszenierung des Schauspiel Leipzig greift das Thema des gleichnamigen Romans von Thea von Harbou und des bekannten Stummfilms von Fritz Lang auf und verarbeitet ihn in einem ereignisreichen Theaterstück.
Metropolis ist eine gigantische Stadt, in der Unter- und Oberschicht streng voneinander getrennt sind. Während sich die Oberschicht, angeführt von Joh Fredersen, dem Vergnügen hingibt, muss die Unterschicht Tag und Nacht an unterirdischen Maschinen arbeiten. Freder ist der Sohn des Oligarchen Joh Fredersen. Er verliebt sich in die Friedenskämpferin Maria und ist von diesem Zeitpunkt an auf der Seite der unterdrückten Arbeiter. Um Marias Einfluss auf die Arbeiter auszunutzen, befiehlt Joh Fredersen dem Wissenschaftler Rotwang, einen Androiden mit ihrem Antlitz zu erschaffen. Diese soll die Arbeiter zum Aufstand bewegen und letztlich Joh mit dem Vorwand ausstatten, gegen die aufrührerischen Arbeiter vorzugehen.

Die Audiodeskriptorin hat hörbar Freude am Sprechen

Das Bühnenbild besteht aus schwarzer Folie und Schienen, auf denen ein Kubus steht. Der Kubus besteht aus drei Teilen – einem Treppenhaus, einem goldenen und einem weißen Zimmer. Die vier Außenwände werden als Projektionsfläche genutzt. Über eine LED-Wand gibt Maria Anweisungen. Ein Gitter führt zur Unterwelt der Arbeiter hinab. Es gibt also jederzeit etwas zu sehen und damit auch zu beschreiben.
Zuerst denke ich, dass in dem Stück gar nicht gesprochen wird. Die ersten paar Minuten lesen Maila Giesder-Pempelforth und Florian Eib abwechselnd den Text auf der Projektionsfläche und beschreiben das Bühnengeschehen. Dann beginnen die SchauspielerInnen doch zu sprechen.
Die Audiodeskription ist in zwei Teile geteilt. Während Florian zumeist das Bühnengeschehen beschreibt, liest Maila die Untertitel vor. Dabei bringt sie auch schauspielerische Elemente ein und hat hörbar Freude an Wörtern wie „Wusch“ „Tock-tock-tock“ und „Peng-peng“. An einigen Stellen geht die Audiodeskription wegen der lauten Musik etwas unter.

Es passiert so viel schnell hintereinander und nebenbei

Dieses Stück ist für mich sehr schwierig zu verstehen. Es passiert so viel schnell hintereinander und nebenbei: Freder kommt in die Unterwelt. Georgy tauscht seine Arbeiterkleidung mit ihm. Maria spricht über den Turm von Babel. Joh Fredersen feuert seinen Sekretär. Rotwang baut einen Androiden, dem er das Aussehen von Johs verstorbener Frau geben will, in die er einst verliebt war. Joh befiehlt ihm, dem Androiden das Aussehen von Maria zu geben. Persönlich ist mir das Stück zu komplex und ich verstehe an vielen Stellen gar nicht, wer alles auf der Bühne ist und was sie wissen oder tun. Dass die Audiodeskription in zwei geteilt ist, verleiht dem Ganzen eine gewisse Übersichtlichkeit, aber die Motive der Personen kann ich in den meisten Fällen nicht nachvollziehen.
Es gelingt der Maria-Doppelgängerin die Arbeiter aufzustacheln, aber dann verbrennen sie die Androidin doch und ich weiß nicht ganz, warum. Dann explodiert die Stadt oder geht auf irgendeine andere Weise unter. Alles, was danach passiert, ist mir nicht ganz klar. Es gibt einen Chor, der fünf Minuten lang über Globalisierung spricht. Seine Synchronität finde ich sehr beeindruckend, aber zu dem Zeitpunkt bin ich bereits so verwirrt, dass ich ihm kaum folgen kann. Die letzten Worte scheinen eine Kritik an der globalisierten Welt zu sein. Die Menschen zerstören sich selbst. Was übrig bleibt, sind Maschinen.

„Wer war denn dieser Gott überhaupt?“
„Ihr Konstrukteur.“
„Warum hat er sie nicht umgebaut?“
„Er hat wohl gehofft, dass sie sich selber umbauen.“
„Oder er war längst tot.“

Ohne „Metropolis“ vorher zu kennen, kann ich der Handlung kaum folgen

Insgesamt haben mir die multimedialen Aspekte gut gefallen, obwohl sie mich auch überfordert haben. Die Geschichte von „Metropolis“ besteht aus vielen Einzelheiten. Die AudiodeskriptorInnen haben versucht, das Geschehen zu beschreiben, aber ohne immer ganz genau zu wissen, was die Texte bedeuten und auch, ohne die Geschichte vorher zu kennen, fällt es mir trotzdem schwer, der Handlung zu folgen. Das gleiche Problem habe ich übrigens bei vielen Neuinszenierungen von Klassikern.

„Metropolis“ ist das dritte Online-Theaterstück mit Audiodeskription des Schauspiel Leipzig seit der coronabedingten Schließung der Theater. Neben diesem Stück sind auch „Die Schutzflehenden / Die Schutzbefohlenen“ und „Peer Gynt“ im Schauspiel Leipzig gelaufen. Als einer der Vorreiter von Theater mit Audiodeskription in Deutschland hoffe ich, dass das Theater auch in der nächsten Spielzeit weitere Vorstellungen mit Audiodeskription zeigt. Sei es digital oder analog.

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