Im Januar steppt der Bär in den Tanztage finden wieder in Berlin statt. Bereits zum 29. Mal bieten die Sophiensäle dem choreografischen Nachwuchs der Stadt die Gelegenheit zu zeigen, was sie können. Zur Feier des Tages warten die Sophiensäle am 9. Januar gleich mit zwei Tanzperformances mit Audiodeskription auf. Zuerst holt SASHA AMAYA barocke Tänze in die Gegenwart. „Sarabande“ beschäftigt sich mit der Verbindung von Musik und Tanz des Barocks aus einem zeitgenössischen Blickwinkel. Im Anschluss zeigt FRIDA GIULIA FRANCESCHINi mit „Tricks for gold (T4$)“, wie sich der weibliche Körper in Zeiten des Spätkapitalismus in ein vermarktbares Gut verwandelt.
Zwei Tastführungen an einem Abend
An diesem Abend haben wir das Glück, gleich zwei Tastführungen von zwei AudiodeskriptorInnen zu bekommen. „Sarabande“ ist ein Stück, das bis auf die beiden Performenden ohne viel Schnickschnack auskommt. Die Bühne besteht aus einem weißen Tanzboden und ist ansonsten leer. SASHA und ihr Partner Falk sind die einzige Attraktion auf der Bühne. Beide tragen sportliche Kleidung im barocken Stil. Wir bekommen die Gelegenheit, ihre Kostüme zu berühren. Da eine Erkältung mich an diesem Abend fest im Griff hat, verzichte ich vorsichtshalber auf näheren Körperkontakt. Die Audiodeskriptorin zeigt trotzdem zwei Grundpositionen des klassischen Balletts, die während der Vorstellung eine Rolle spielen. So erfahren wir, dass das klassische Ballett unter anderem aus den barocken Tänzen entwickelt wurde. Einer davon gibt der Performance den Namen, die Sarabande.
„Tricks for gold“ hat zumindest was das Bühnenbild angeht mehr zu bieten. Ich ertaste einen Vorhang, der sich über die gesamte Breite des hinteren Tanzbodens erstreckt. Nur in der Mitte ist ein Durchgang freigeblieben. Auf der Bühne liegen Seile für eine Assistentin und unterschiedliche Stoffe, die in der Performance eingesetzt werden. Bei dem Stück handelt es sich um eine Zaubershow mit einer attraktiven Zauberin in der Hauptrolle gespielt von Frida. Wie durchsichtig und nahezu nicht vorhanden das Kostüm von FRIDA ist, davon kann ich mich mit eigenen Händen überzeugen. Es ist eine Art roter Body, der sich sehr dünn anfühlt. Hinzu kommt ein BH, den sie während der Aufführung ebenfalls trägt. Diesmal werden keine Bewegungen vorgeführt.
Die Audiodeskription von „Sarabande“
Die erste Performance an diesem Abend dauert eine halbe Stunde. In dieser Zeit holen die beiden TänzerInnen den Barock in die Gegenwart. Leider ist die Musik so laut, dass ich an vielen Stellen die Audiodeskription nicht verstehe. Wenn ich dann doch etwas höre, sind es oft nur die Beschreibungen von Bewegungen, die mir zwar zeigen, wo die TänzerInnen gerade sind. Inwiefern ihr Tanz jedoch Barock, Ballett oder Sonstiges ist, bleibt mir jedoch großteils verborgen, außer an den Stellen, an denen die Audiodeskriptorin explizit darauf hinweist. Das einzige Mal, dass ich den Eindruck eines Ballsaals à la Jane Austen im 18. Jahrhundert bekomme, ist wenn die Füße der beiden über den Tanzboden fliegen. An der Audiodeskription habe ich nur zu bemängeln, dass die Bewegungen zu trocken beschrieben wurden. Zwar weiß ich, was gemeint ist, wenn jemand den Arm hebt oder anwinkelt. Wie diese Bewegung aussieht und wie sie sich auf das Stück auswirkt, bleibt mir jedoch verborgen.
Die Audiodeskription von „Tricks for gold“
Verständlicher ist die zweite Audiodeskription an diesem Abend. Das könnte aber auch daran liegen, dass weniger tänzerische Bewegungen stattfinden. Frida betritt als Zauberkünstlerin die Bühne. Dort liegt ein Stoffhaufen. Mit einem Zauberstab zeigt sie immer wieder darauf. Irgendwann verschwindet sie und der Haufen beginnt, sich rhythmisch zur Musik zu bewegen. Es ist klar, dass sich jemand darunter befindet. Die Assistentin zieht wie bei einem Entfesselungstrick an den Seilen. Immer weitere Lagen des Haufens fallen ab. Einmal kommt ein blaues, ein rosafarbenes und ein schwarzes Tuch hervor. Letztendlich erscheint Frida unter dem Kleiderhaufen. Sie ist Spärlich bekleidet. Als sie über die Bühne geht, fallen immer wieder Goldmünzen aus ihrem Schritt. Sie schneidet sich die Haare ab, filmt sich selbst und genießt offenbar die Fetischisierung ihres eigenen Körpers. Das alles wird von der Audiodeskriptorin gut beschrieben. Trotzdem verstehe ich nicht immer, woraus die Zaubertricks bestehen. Das zweite Stück ist verständlicher als das erste. Trotzdem fehlt mir ab und zu der rote Faden, der Zauberkunst mit der Objektifizierung des weiblichen Körpers verbindet.
Die Schwierigkeit, Tanzperformances zu beschreiben
Im Vergleich zu vorherigen Tanzperformances wie Onon kann ich mir bei diesen Stücken kaum einen Reim über ihre Bedeutung machen. Zum Teil liegt das natürlich an meiner Erkältung. Mit verstopfter Nase lässt es sich nun einmal schwierig denken. Zum anderen liegt es wohl an der abstrakten Natur von Tanztheaterstücken. Performances stellen für AudiodeskriptorInnen sicherlich eines der schwierigsten Formate dar. Ständig muss Bewegung nicht nur beschrieben, sondern teilweise auch interpretiert werden. Zudem ist jede Performance anders. Trotzdem möchte ich gerne am Ende in der Lage sein, zu entscheiden, ob ich ein Stück mag und wenn nicht, doch wenigstens wissen, ob es an der Performance liegt. Mehr Übung sammeln die Sophiensäle noch am 18. Januar mit „Engandered Species“. Ich werde für Euch wieder dabei sein. Wer Lust auf Tanz hat, kann einen Blick auf die Barrierefreiheitsseite der Sophiensäle werfen. Die Termine sind auch in unserem Spielplan zu finden.
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