Stimmen in der Dunkelheit, das Klackern hoher Schuhe, das Rascheln eines Umhangs, die Berührung einer körperlosen Hand … Was auf den ersten Blick wie eine Szene aus einem Horrorfilm wirkt, ist eigentlich ein Theatererlebnis mit allen Sinnen. In der Tanzfabrik Berlin führen sechs Tänzer „(in)Visible„, ein Theaterstück im Dunkeln unter der Regie von Jess Curtis auf. Jess hat sich als Vertreter des inklusiven Theaters, das behinderten Künstlern die Möglichkeit gibt, sich selbst auszudrücken, einen Namen gemacht. Diesem macht er mit (in)Visible dann auch alle Ehre.
Immer wieder sitze ich mit den übrigen Zuschauern in völliger Dunkelheit und bin auf die Geräusche, Worte und Berührungen der Tänzer angewiesen. In der Tasttour erkunden wir die viereckige Bühne und lernen die Tänzer kennen. In der Mitte und an den Seiten sind Stühle aufgestellt. Wir werden allerdings bereits im Vorfeld gewarnt, dass man bei diesen Plätzen höchstwahrscheinlich von den Tänzern und Tänzerinnen berührt wird. Wer dies nicht möchte, kann sich auch auf die Stühle im Zuschauerraum setzen. Alles ist freiwillig. Das Bühnenbild besteht aus Stühlen, Lamettavorhängen und Klebestreifen, an denen sich die Tänzer orientieren.
Theaterstück im Dunkeln
Als das Theaterstück im Dunkeln losgeht, bin ich etwas nervös, besonders als die Lichter ausgehen und die Tänzer beginnen, sich zu bewegen. Im Verlauf des Stücks, laufen sie um mich herum. Ich habe mir einen Platz in der Mitte der quadratischen Bühne gesucht, um auch ja nichts zu verpassen. Als die Lichter ausgehen und die Tänzer beginnen zu sprechen und umherzugehen, wird mir dann doch etwas mulmig. Was ich höre, ist das Klackern und Klatschen verschiedener Schuhe, das laute Atmen der Tänzer und immer wieder der Satz „I am/Ich bin“, bis ich mich tatsächlich zu fragen beginne, wo ich bin in diesem großen dunklen Raum. Fast ängstlich erwarte ich die erste Berührung. Als sie dann kommt, ist sie eher beruhigend, nichts als der Druck einer Hand auf meiner Schulter. Ab diesem Zeitpunkt bin ich entspannter und kann mich auf das Stück einlassen ohne Angst zu haben, plötzlich angesprungen zu werden. Meine Erfahrungen waren aber noch relativ sanft. Während der Performance springen die Tänzer auf den Schoß der Zuschauer, legen ihre Arme um sich, kämmen ihre Haare, küssen sie und reiben ihre Nasen an ihnen. Immer wieder sagen sie, was sie tun oder vorhaben und erinnern, dass jeder Kontakt freiwillig ist.
Audiodeskription von „(in)Visible“<
Während der Vorstellung werden einige Teile der Performance von einer Deskriptorin beschrieben. Dass die Tänzer und Tänzerinnen oft improvisieren, erschwert ihre Aufgabe und führt dazu, dass sie ihre Sätze abbricht. Oft sprechen Tänzer und Deskriptorin gleichzeitig und weil so viel auf der Bühne vor sich geht, wirkt die Beschreibung manches mal zufällig. Ich hätte mir gewünscht, dass die Performance ganz im Dunkeln staffgefunden hätte und die Tänzer noch deskriptiver gewesen wären. Bei dieser Performance, die so viel Wert auf Dunkelheit und Beschreibung legt, halte ich eine Audiodeskription für überflüssig.
(Un)Sichtbares Theaterstück im Dunkeln
Am besten gefallen hat mir letztendlich die Berührung und die damit verbundene Einbeziehung durch die Tänzer, die Erfahrbarmachung des Raumes durch Geräusche und Stimmen sowie die Möglichkeit, auf der Bühne zu sitzen. Dadurch bekommt der Titel (in)Visible für mich zwei Bedeutungen. Zum einen, dass ich selber nichts sehe und unsichtbar bleibe. Zum anderen, dass ich Teil des Stückes bin und dadurch sichtbar werde.
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