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Wo bleibt die Barrierefreiheit an Berliner Bühnen?

Posted in Allgemein

Welcher Blinde kennt das nicht. Die Lichter gehen aus. Der Vorhang geht zurück und man sieht … absolut nichts oder fast nichts. Leider bedeutet das in vielen Fällen auch, dass das Theatervergnügen auf Dialoge beschränkt ist. Für das Verstehen und Genießen von Theaterstücken reicht das oft nicht. Wie die meisten anderen Blinden bin ich auf die Beschreibung meiner Begleitperson angewiesen, womit ich auch je nach Laune und Komplexität des Bühnengeschehens bislang ganz gut gefahren bin, aber barrierefrei und selbstbestimmt sieht anders aus. Dabei gibt es eine einfache Lösung, die in Paris und London und sogar in einigen deutschen Städten wie Leipzig bereits gut funktioniert: Live-Audiodeskription.

Audiodeskription Theater

Audiodeskription bedeutet die Beschreibung der visuellen Geschehnisse, insbesondere für Filme und Theaterstücke. Obwohl es in den USA und im europäischen Ausland bereits seit Jahren Filme und Theateraufführungen mit Audiodeskription gibt, bin ich selbst erst vor zwei Jahren auf den Begriff gestoßen und das in Bezug auf Filme. Ich bin in Königs Wusterhausen zur Schule gegangen und wir waren in unregelmäßigen Abständen im Theater in Senftenberg. Von Audiodeskription war, trotz des sehbehinderten Publikums keine Rede. Damals störte es mich wenig, denn ich hatte noch einen ausreichenden Sehrest, mit dem ich gerne Filme und Serien sah.
Seit einigen Jahren hat sich mein Sehvermögen jedoch derart verschlechtert, dass ich auf die Beschreibung jeglicher Vorstellungen, seien es Filme oder Live-Performances, angewiesen bin. So richtig wurde mir mein Defizit und das mangelnde Angebot an barrierefreier Kunst in und um Berlin erst während eines Studiums der Medienwissenschaft bewusst. Hier wurde ich immer wieder mit Ausstellungen, Live-Performances und Filmen konfrontiert, die ich mir nur mithilfe anderer Studenten einigermaßen erschließen konnte – eine Frustration, die bis Ende des Studiums andauern sollte.
Jahrelang war ich wegen des mangelnden Angebots nicht im Theater und besuchte Kinos nur sporadisch, vor allem, weil sich auch hier das Angebot an Audiodeskription in Grenzen hielt. Theatergehen ist teuer und wozu, wenn ich doch nichts mitbekomme, habe ich gedacht? Sogar Veranstaltungen, die nach eignen Angaben auf ein blindes und sehbehindertes Publikum zugeschnitten sind, stellen sich oft als nicht barrierefrei heraus. So führte eine Tänzerin gemeinsam mit ihrem im Rollstuhl sitzenden Partner auf dem Louis-Braille-Festival 2019 (dem europaweit größten Festival für Blinde und Sehbehinderte)eine Performance auf, die für einen Großteil des Publikums wegen mangelnder Beschreibung unsichtbar blieb.

Theater Hören Berlin: Ich wittere Morgenluft

Besonders die Hauptstadt hat immensen Aufholbedarf was Audiodeskription im Theater angeht. Rund 17.000 Blinde und Sehbehinderte wohnen in Berlin. Zudem ist hier der Sitz des Deutschen Blinden- und Sehbehindertenverbands. Es wird auch viel gemacht, von der Einführung sprechender Haltestellen bis hin zu Tastführungen in den Berliner Museen. Nur das Theaterangebot ist bislang noch auf der Strecke geblieben. Mit „Theater Hören Berlin“ soll sich das jetzt ändern. In den nächsten zwei Spielzeiten werden 16 Stücke mit ausgebildeten Audiodeskriptoren und Tastführungen des Bühnenbildes vor der Vorstellung an Berliner Bühnen stattfinden. Shows, Theaterstücke, Tanz-Performances, Opern Ballette – alles rund um das Thema Theater Hören Berlin.

Warum „Theater Hören Berlin“-Blog?

Ich starte diesen Blog, um die Entwicklung des Theaterlebens mit Audiodeskription an Berliner Bühnen zu begleiten. Es geht mir darum, auf das steigende Angebot aufmerksam zu machen, das Zusammenspiel zwischen Audiodeskription, Tastführung und Performance zu beurteilen und die Lust am Theater zu steigern – natürlich nicht nur meine, sondern auch eure. Die Möglichkeit, sich durch Kunst und Kultur weiterzuentwickeln, eine andere Perspektive einzunehmen oder sich schlicht unterhalten zu lassen – all das sollte eine Selbstverständlichkeit sein und hoffentlich ist es das innerhalb weniger Jahre auch.

Also, schaut mal in den Spielplan und kommt zur nächsten Vorstellung im Programm von „Theater Hören Berlin“!

Mehrmals monatlich halten wir euch über die aktuellen Vorstellungen mit Audiodeskription auf dem Laufenden. Hier geht’s zum Newsletter.

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