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„Geht es dir gut?“ Interview mit Dramaturgin Johanna Kobusch

Posted in Interviews, and Theaterrezension

Der erste Theaterclub in dieser neuen Spielzeit 2022/23 ist der zwölfte insgesamt und der vorerst letzte für mich, bevor ich mich in den Mutterschutz verabschiede. Heute versuchen wir eine Stunde lang die Frage zu beantworten: „Geht es dir gut?“ Das ist eine Frage, die das gleichnamige Stück der Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz stellt. Zum Interview steht die Dramaturgin des Stücks, Johanna Kobusch, bereit.

Theaterclub Transkription 25.09.2022

Lavinia: Die erste Frage, die ich ihnen stellen möchte ist: Geht es ihnen gut?

Johanna Kobusch: Danke für die Einladung, und mir geht es sehr gut.

Lavinia: Können sie uns sagen, seit wann sie an der Volksbühne tätig sind, und wie sie dort hingekommen sind?

Johanna Kobusch: Ich arbeite seit eineinhalb Jahren fest im Team der künstlerischen Leitung und habe die neue Intendanz von René Pollesch mit vorbereitet. Ich komme tatsächlich über Fabian Hinrichs und René Pollesch zur Volksbühne. Bei dem Stück „Keiner findet sich schön“ (2017) habe ich hospitiert. Seitdem habe ich Kontakt zu der Chefdramaturgin Anna Heesen. Die Arbeit mit René Pollesch, aber auch die Zusammenarbeit zwischen René und Fabian sind in meiner Biographie entscheidend gewesen.

Lavinia: Inwieweit hat sie diese Zusammenarbeit geprägt?

Johanna Kobusch: Ich habe Theaterwissenschaft an der FU in Berlin studiert. Bis dahin hatte ich nicht viel Theatererfahrung. Dann habe ich mir Stücke an der Volksbühne angeguckt, insbesondere „Kill your Darlings“ von René Pollesch. Die Praxis dahinter und wie es auf der Bühne aussieht hat mich wahnsinnig interessiert. Es war bemerkenswert, wie man aus diesen Abenden herausgegangen ist, dass es so beschwingt war, und dass man trotzdem so viel nachgedacht und erlebt hat. Ich wollte mitmachen.

Lavinia: Können sie uns dazu etwas erzählen, wie Ihr Arbeitsalltag als Dramaturgin aussieht?

Johanna Kobusch: Ein großer Punkt in unserer Arbeit ist die Gestaltung des Spielplans: Welche Produktion, welche Besetzung, was kommt nacheinander über die Spielzeit verteilt? Das hat sehr viel mit Organisation zu tun und mit den Verhältnissen der verschiedenen Spielstätten zueinander. Wir wollten eigentlich die neue Intendanz von René Pollesch mit dem Prater eröffnen, aber der ist noch eine Baustelle. Der Volksbühnenraum selber ist sehr groß, und die Bühne ist sehr weit. Der Prater ist eine etwas kleinere Spielstätte. Das Bühnenbild ist eine Art Straße und nicht nur zentralperspektivisch zu bespielen. Wenn der Prater dann eröffnet, kann man nicht nur in eine Richtung gucken, sondern das Publikum kann überall sitzen und stehen und auch spielen. Der Prater war ein richtiges Filmstudio. Man sollte sowohl mit Theater- als auch mit Filmmitteln arbeiten können – Also ein sehr viel experimentellerer Raum im Verhältnis zum großen Saal in der Volksbühne. Es gab ein Einheitsbühnenbild, ein Entwurf von Leonard Neumann und Nina von Mechow, der nicht realisiert werden konnte, weil die Baustelle nicht rechtzeitig fertig geworden ist. Für diese Spielzeit haben wir teilweise die Entwürfe von dem Prater ins große Haus verlagern können. Auf der Hinterbühne und auf der Vorderbühne gibt es einen Einheitsraum und dort finden Produktionen statt, die wir eigentlich für den Prater geplant hatten.

Lavinia: Das Besondere an René Pollesch ist, dass er immer eng mit den Schauspielern zusammenarbeitet. Wie hat sich die Zusammenarbeit zwischen René Pollesch und Fabian Hinrichs in „Geht es dir gut?“ abgespielt?

Johanna Kobusch: Wichtig für Renés Arbeitspraxis ist, dass er Autor seiner Stücke ist. Wovon seine Stücke erzählen, wird in Zusammenarbeit mit den Spielerinnen und Spielern während der Probenzeit entwickelt – im Fall von „Geht es dir gut?“ war es so: Fabian hatte sich lange und gründlich auf diese Arbeit vorbereitet und viele Inhalte schon im Vorhinein recherchiert und vorgeschlagen, mit denen er sich beschäftigen wollte. Manchmal ist der erste Tag der Proben sozusagen der erste Tag der Gespräche. In diesem Fall gab es schon einen langen Vorlauf.

Inhaltlich gibt es eine andere Form der Auseinandersetzung zwischen Fabian und René als bei anderen Besetzungen, würde ich sagen.

Es ist immer entscheidend, mit wem René zusammenarbeitet. In der Form der Besetzung mit Fabian ist es noch einmal besonders intensiv. Fabian hatte sich diesen Abend schon in vielen Aspekten vorher überlegt: was ihm wichtig ist, was die Chöre betrifft, wer da mit ihm auf die Bühne kommen soll. Den Bogen hatte er sich gewissermaßen überlegt, bevor es überhaupt los ging.

Lavinia: Wie war Ihre Beteiligung an diesem Stück?

Johanna Kobusch: Ich hatte vor den Proben aber auch während der Proben mit Fabian Kontakt, was zum Beispiel die Organisation der Chöre anging. Es gab bei den vorherigen Arbeiten mit René und Fabian meistens eine Gruppe, die ein besonderes Talent hatte. Einmal waren es Turner und im Friedrichstadt-Palast war es das Tanzensemble. Jetzt wollte Fabian verschiedene Gruppen haben.

Er wollte nicht nur einen homogenen Chor gegenüber haben, sondern mehrere, sodass es eine richtige Masse auf der Bühne wird, unter die er sich mischen kann. Wichtig war ihm, dass es einen Gospelchor auf der Bühne gibt und eigentlich einen Kosaken-Chor, aber Letzteres war nicht möglich.

Wir haben dann recherchiert. Dadurch, dass wir in der noch heißen Phase von Corona und den ganzen Restriktionen geprobt haben, war es fast ein Ding der Unmöglichkeit, Massen auf die Bühne zu stellen und zu proben. Deswegen war es am Ende keine riesige Masse, aber wir haben es trotzdem geschafft, einen tollen Gospelchor aus Berlin, einen bulgarischen Frauenchor und sogenannte „Breaker der „Flying-Steps-Academy“ (Tänzerinnen und Tänzer) zu involvieren.

Lavinia: Im Vorfeld habe ich mir einen Mitschnitt des Stücks ohne Audiodeskription angehört. Das heißt, ich habe nur die Stimmen von Fabian und die der Chöre mitbekommen. Könnten Sie uns etwas darüber sagen, wie die Bühne aussieht, ob überhaupt irgendwas während des Stücks auf der Bühne zu sehen ist?

Johanna Kobusch: Es ist tatsächlich so, dass die Bühne eine ganze lange Zeit lang weitestgehend leer ist, bis auf die Akteur*innen, die die Bühne betreten. Das Licht ist am Anfang atmosphärisch dunkel. Man sieht Fabian. Man sieht die Chöre an der rechten Seite der Bühne mit Klavier. Es gibt aber noch kein Bühnenbild. Das Bühnenbild zeigt sich ungefähr in der Mitte des Stücks relativ eindrucksvoll. Da will ich noch nichts verraten, aber das Bühnenbild führt zu Inhalten im Stück. Die Bühnenbildnerinnen, die mit René zusammenarbeiten, bekommen keine inhaltlichen Aufträge.

. Es ist eher anders herum: René reagiert oft inhaltlich auf die Bühnenbilder. Es gibt am Ende drei Objekte, und die Kostüme sind auf jeden Fall auch besonders. Es gibt Referenzen zu einer Art Entdeckertum – Expeditionsanzüge mit Fell und Boots und Mützen. Fabian hat am Anfang eine Art Kutte mit Fell oben an und läuft zum Teil barfuß oder in Lederschuhen umher.

Lavinia: Dann habe ich eine letzte Frage, bevor ich die Fragerunde öffne. Und zwar: Warum sollten sich blinde und sehbehinderte Menschen unbedingt dieses Stück ansehen oder anhören?

Johanna Kobusch: Ich kann mir vorstellen, dass das Stück ein schönes Erleben ist, gerade durch die Musikalität und durch die Objekte, von denen wir gesprochen haben.

Es gibt viel zu erleben, auch im auditiven Bereich ohne die Beschreibung. Dieser Abend ist einfach ein schönes Hörerlebnis.

Letzteres kann ich nur bestätigen, weil ich das Stück bislang nur ohne Audiodeskription gehört habe. Trotzdem lohnt sich die Audiodeskription, weil es den einen oder anderen Lacher gibt, der nur visuell sichtbar ist.  Am 15. Oktober 2022 wurde das Stück mit Audiodeskription gezeigt. Im Theaterclub waren die Rückmeldungen nach dem Interview begeistert. Es lohnt sich also, die Augen und Ohren auf unseren Spielplan zu richten, um die nächste Vorstellung von „Geht es dir gut?“ nicht zu verpassen.

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