Wer wirklich in eine Performance eintauchen möchte, muss hinter die Kulissen schauen. Als Co-Autorin für Audiodeskription habe ich manchmal das Vergnügen, mit Performer*innen und mit der Choreografin oder dem Choreografen zu sprechen. Wir planen, wie die Tastführung verlaufen soll, wie die Performerinnen und Performer gerne beschrieben werden würden und klären Unklarheiten im Stück. Am 18. August höre ich mir die Audiodeskription zur Performance „We wear our wheels with pride and slap your streets with color… we said ‘bonjour’ to satan in 1820…” von Robyn Orlin an. Am Tag davor habe ich mit der Audiodeskriptorin Svantje Henke an ihrem Text gearbeitet. Heute sehe ich die Performance zum dritten Mal.
Viele wurden nicht 35 Jahre alt
Das Stück beschäftigt sich mit dem Schicksal der Rikscha-Fahrer*innen zur Zeit der Apartheit in Südafrika. Wie Pferde wurden sie, schwere gehörnte Masken tragend, vor die Rikschas gespannt und mussten ihre Passagiere ziehen. Viele wurden nicht über fünfunddreißig Jahre alt. Die Choreografin Robyn Orlin erinnert sich in dieser Performance an die Rikscha-Fahrer*innen aus ihrer Kindheit in Johannisburg.
Eine Stimme, die trägt
Acht Performer*innen, darunter zwei in wallende Gewänder gekleidete Sänger*innen und sechs Tänzer*innen gestalten den Abend mit Gesang und Bewegung. Besonders nahe geht mir der Gesang. Die Sängerin hat eine solch variantenreiche gewaltige Stimme, dass sie mich alleine durch den Abend tragen könnte. Mal singt sie kräftig, mal knurrend, mal quietschend und mal wie eine Opernsängerin. Durch Loops entsteht der Eindruck eines großen Chors.
Ein farbenfrohes Schauspiel
Darüber hinaus arbeitet die Gruppe mit farbenfrohen Reflektionen und mehreren Kameras. Die Kameras filmen die Performer*innen und verwandeln ihren Tanz in ein farbenfrohes Schauspiel. Von Svantjes Beschreibung her, habe ich den Eindruck, mich inmitten eines psychedelischen Rauschs aus Farben zu befinden. Wer sich an die alten Windows-Media-Player-Animationen erinnern kann, weiß, was ich meine. Die Performer*innen werden als bunte Silhouetten auf der Leinwand gezeigt.
Jede/r der Performer*innen bekommt einen eigenen Auftritt. Nacheinander breiten sie bunte Tücher in gelb, blau und rot mit bunten Früchten wie z.B. Ananas auf dem Boden aus. Darüber tanzen sie, bis sie in einer Pose verharren. Auf der Leinwand werden diese Posen in eine Art Emblem oder Wappen verwandelt. Von Robyn haben wir erfahren, dass dieses Wappen an die Gedenkbilder von Verstorbenen erinnern soll. Der farbenfrohe Hintergrund wirkt dadurch für mich fast ironisch.
Eine Einladung auf eine Rikscha-Fahrt
Nicht zu übersehen oder in meinem Fall zu überhören ist ein acht Meter breiter Barren, der von der Decke hängt und sich über die gesamte Breite der Bühne zieht. Der Barren ist mit Dosen behangen – Cola, Fanta, Sprite, usw. Immer wieder springen die Performer*innen darauf und machen schwimmende oder radfahrende Bewegungen in der Luft. Dabei laden sie das Publikum ein, sich durch vor- und zurückwippen mit ihnen auf eine Rikscha-Fahrt zu begeben. Ich für meinen Teil wippe mit. Da ich aber von Svantje keinen Hinweis darauf bekomme, wann ich aufhören soll, beteilige ich mich nicht so entspannt und höre bald wieder auf.
Davon abgesehen, war es eine wundervolle Performance. Allein der Gesang ist es wert, gehört zu werden. Ich für meinen Teil freue mich, dass die Volksbühne, wo diese Performance stattgefunden hat, nun Teil des „Berliner Spielplan Audiodeskription“ ist. Wenn ihr wissen wollt, welche Stücke mit Audiodeskription demnächst dort oder an anderen Berliner Bühnen laufen, besucht gerne unseren Spielplan.
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