Die Amici Dance Theatre Company zeigt die Show „Tightrope“ mit englischer Audiodeskription!
Zirkus kann man auch im „Lockdown Light“ machen. Die Amici Dance Theatre Company feiert 2020 ihr 40-jähriges Bühnenjubiläum. Wegen Covid-19 muss die Show leider digital stattfinden. Die Besetzung ist divers und besteht aus Sehbehinderten, Rollstuhlfahrern und Lernbehinderten zwischen 18 und 70 Jahren. Die englische Show „Tightrope“ unter der Regie von Michael Vale erzählt die Geschichte eines alternden Zirkus‘. Über Jahre haben die ArtistInnen zusammengehalten. Nun wollen sie noch einmal eine Performance zeigen – vielleicht zum letzten Mal?
Nicht alle Tricks gelingen auf Anhieb
Wie es sich für einen Zirkus gehört, treten während der Performance Akrobaten, TänzerInnen, Pferdedresseure, jonglierende und nicht-jonglierende Clowns, Zauberer, Messerwerfer und viele mehr auf. Alle sind sie in bunte Kostüme gekleidet. Präsentiert werden sie immer wieder von dem Showgirl, die in ihrem Rollstuhl mit Schildern über die Bühne rollt und von der Zirkusdirektorin. Zwischendurch versucht der „Dark Ring Master“ (dunkle Zirkusdirektor), die Aufführung platzen zu lassen.
Nicht alle Tricks gelingen auf Anhieb. Für einen Lacher sorgt zum Beispiel die glas splitternde Wendy. Ein aufs andere Mal versucht sie, durch ihre Opernstimme ein Weinglas zu zerschmettern. Ein aufs andere Mal muss sie enttäuscht mit ihrer Assistentin die Bühne räumen. Die Messerwerferin „Jock the Knife“ wirft imaginäre Messer auf eine Zielscheibe. Immer wieder wirft sie vorbei und trifft die danebenstehenden ZuschauerInnen. Letztendlich rammt ihre Assistentin ein Messer in die Zielscheibe. Unter Applaus verlässt Jock die Bühne. Die Clowns tun, was sie am besten können: Quatsch. Sie versuchen, sich auf winzigen Stühlen zu platzieren, während die anderen Clowns ihnen selbige unter dem Hintern wegziehen.
Die Rollstuhlfahrer tanzen über die Bühne. Tatsächlich sind es hauptsächlich die Rollstuhlfahrer, die auffallen. Es wird zwar anfangs gesagt, dass das Ensemble aus Menschen im Rollstuhl, sehbehinderten und lernbehinderten DarstellerInnen besteht. Inwiefern die Besetzung allerdings divers ist, wird von der Audiodeskription nicht beschrieben.
Eine bunte Vorstellung folgt auf die andere, bis letztendlich der „Dark Ring Master“ die Szene anhält und Benzin über die ArtistInnen schüttet. Rotes Licht leuchtet auf und sie bewegen sich wie Flammen über die Bühne, krümmen sich und fallen schließlich als glimmende Asche zu Boden. Ein großes Finale, denke ich, bis sich die Zirkusleute wiederaufrichten, rote Ballons steigen lassen und wieder anfangen zu tanzen. Nach dem Flammenmeer geht es noch eine ganze Weile weiter. Ich habe mit einem stimmungsaufhellenden Ende gerechnet, aber das Ballonsteigenlassen und das Ende, bei dem sich alle zueinandersetzen und letztendlich minutenlang Walzer tanzen, war meiner Meinung nach zu langgezogen.
Die Audiodeskription gibt dem Zirkusspiel Farbe
Eleanor Margolies beschreibt das Bühnengeschehen derart farbenfroh und bildhaft, dass ich mich nur selten fragen muss, was vor sich geht. Zu Beginn des Stücks erklärt sie kurz, wie die Bühne und die Kostüme aussehen. Darüber hinaus wiederholt sie jedes Mal während eines neuen Auftritts, was die Figuren tragen. Auf diese Weise muss ich mir nicht merken, was die dutzenden von PerformerInnen anhaben und habe bei jedem ein klares Bild vor Augen. Tatsächlich kann ich die Stimme der Audiodeskriptorin besser hören als die der übrigen PerformerInnen. Ab und zu rufen sie etwas in das Stück hinein, aber durch die schlechte Aufnahmequalität ist es für mich nahezu unverständlich, was genau gesagt wird. In diesem Stück spielt es aber auch kaum eine Rolle. Es kommt viel mehr auf die Bewegungen und die Artistik an als auf den Text. Genau das beschreibt Eleanor wunderbar bildhaft. Mancher würde vielleicht sagen, zu bildhaft, so verwendet sie zum Beispiel Wortwendungen wie: „Dots of bright white lights sparkle on the umbrellas like stars in the dimness of a summer night (Punkte aus hellen, weißen Lichtern glitzern auf den Regenschirmen wie Sterne in der Dunkelheit einer Sommernacht).“ Auch klingt ihre Stimme alles andere als neutral, wie ich es oft in deutschen Tanzperformances erlebt habe. Im Gegenteil: Die Spannung ist ihrer Stimme klar anzuhören. Besonders bei Performances finde ich es wichtig, Bilder hervorzurufen. Zu keinem Zeitpunkt hört man Sätze wie „Sie wirft die Arme in die Luft.“ Immer wird ein klares Bild von den Positionen der PerformerInnen gezeichnet. An dieser Audiodeskription habe ich wirklich nichts zu bemängeln, außer vielleicht die Nebengeräusche der Audiodeskriptorin an wenigen stillen Stellen.
Wer Kinder hat, ein Kind ist, Kinder will oder eine kindliche Seele hat
Die Berliner Theater sind noch bis Ende November geschlossen. Wir hoffen aber, dass es stattdessen wieder Livestreams mit Audiodeskription geben wird. Am 20. Dezember findet dann das Theaterstück „Pythonparfum und Pralinen aus Pirgendwo“ im Theater an der Parkaue passend zur Weihnachtszeit statt. Wer also Kinder hat, ein Kind ist, Kinder will oder eine kindliche Seele hat, kann sich für die Audiodeskriptionsvorstellung anmelden. Als Überbrückung lohnt es sich auch, einmal über den Tellerrand zu schauen, wie „Tightrope“ zeigt. Behaltet in jedem Fall unseren Spielplan im Auge.
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