Direkt zum Inhalt

Musiktheater wieder ganz laut

Posted in Theaterrezension

Noch im April war das Musiktheater im Revier in Gelsenkirchen verstummt: keine Proben, keine Aufführungen, keine Musik. Nun endlich nach mehrmonatigem Schweigen hat das inklusive Haus die Oper „Die Perlenfischer“ von Georges Bizet bereitgestellt. Die Inszenierung von Manuel Schmidt stammt aus der Spielzeit 2018/19. Audiodeskriptorin ist Diana Merten. Der erste Teil erschien am 29. Mai, der zweite am 5. Juni 2020.
„Die Perlenfischer“ handelt von verbotener Liebe und verratener Freundschaft: Leila wird als Priesterin des Brahma nach Ceylon gebracht, um durch ihren Gesang die Perlenfischer vor bösen Geistern zu bewahren. Gleichzeitig trifft ihre Jugendliebe Nadir bei den Perlenfischern ein. Eine leidenschaftliche Beziehung entwickelt sich zwischen den beiden. Leila hat jedoch geschworen, keusch zu bleiben und ihr Antlitz niemandem zu enthüllen. Nadir und Leila werden von Zurga, dem Anführer der Perlenfischer und ebenfalls ein Verehrer von Leila, erwischt und zum Tode verurteilt. Nadir und Zurga waren in ihrer Jugend beide in Leila verliebt. Um ihre Freundschaft zu bewahren, schwuren sie damals, beide auf sie zu verzichten. Zurga steht nun vor der Wahl, seinem alten Freund das Leben zu schenken oder ihn und Leila für den Verrat an ihrer Freundschaft zu bestrafen.

Audiodeskription von „Die Perlenfischer“

Das Bühnenbild wäre eine Begehung wert. Es besteht aus vier Gebäuden – einer Werkhalle, einem Fördergerüst und zwei Wohngebäuden, die nach einer Seite hin offen sind. Die drehbare Bühne ändert immer wieder die Perspektive des Bühnenbilds. Einmal schauen wir auf den Förderturm, dann in das Wohnhaus, in dem Nadir auf einer Isomatte sitzt und auf seinem Smartphone scrollt. Dann wieder sehen wir Leila am Balkon ihres Wohnhauses stehen und verträumt hinausschauen. Eine Tastführung kann es leider nicht geben, aber Diana Merten beschreibt die Szene mit wenigen Worten auf den Punkt genau.
Gesungen wird auf Französisch. Das sehende Publikum kann das Gesagte mithilfe von Untertiteln verfolgen. Für die blinden und sehbehinderten ZuschauerInnen fasst Merten zusammen. Die Zusammenfassung ist etwas stockend. Oft macht sie mitten im Satz eine Pause. Ob sie uns damit die Gelegenheit geben möchte, der Musik zu lauschen oder ob sie auf die richtige Stelle wartet, kann ich nicht sagen. Mir hätte es besser gefallen, wenn sie kurze Sätze ohne Pausen zusammengefasst hätte. Nicht dramatisch, aber gewöhnungsbedürftig war für mich auch die wörtliche Rede. Wann immer Diana Merten das Gesungene zusammenfasst, bedient sie sich des Konjunktivs: „Im Tempel sei eine Frau erschienen“, „Da sei die Göttin“, „Nichts solle sie trennen“. Einerseits verdeutlicht der Konjunktiv, dass die Audiodeskription jetzt das Gesungene beschreibt. Andererseits fühle ich mich dadurch außen vorgelassen, da die Rede nicht direkt an mich gerichtet ist.

Der Ton macht die Musik

Neben der Audiodeskription kann man auch aus den Stimmen der SängerInnen eine Menge heraushören. Zurgas Freude über das unerwartete Wiedersehen seines alten Freundes Nadir. Nadirs Unbehagen über den Schwur, den er nicht einhalten kann. Nourabads Lüsternheit gegenüber Leila und seine unverhohlene Drohung. Leilas innere Zerrissenheit, weil sie sich nicht zwischen Nadir und ihren Verpflichtungen entscheiden kann. Leilas Gesang geht mir besonders zu Herzen. Ich bin froh, dass Diana Merten sich an diesen Stellen mit Beschreibungen zurückgehalten hat, denn Leilas Stimme ist mein persönlicher Höhepunkt der Oper. Während Nadir und Zurga mir in ihrer Wiedersehensszene sehr pompös vorkommen, ist Leilas Stimme zart und lieblich.
Dies ist die erste Oper, die ich mit Audiodeskription erleben darf. Ich muss mich daran gewöhnen, Dialoge in Form von Gesang zu erleben. Besonders Nadirs und Zurgas erster Austausch kommt mir künstlich vor. Dagegen finde ich Nourabads Aggression gegenüber Leila und ihre Liebesgeschichte mit Nadir in ihrer Romantik sehr überzeugend.

Opernliebhaber können sich auf die digitale Audiodeskriptionspremiere von „Jenufa“ in der Deutschen Oper am 23. Und 24 Juni 2020 freuen. Eine besondere sprachliche Herausforderung, denn diesmal wird auf Tschechisch gesungen – natürlich mit deutscher Audiodeskription. Den Link findet ihr zur gegebenen Zeit in unserem Spielplan.

Mehrmals monatlich halten wir euch über die aktuellen Vorstellungen mit Audiodeskription auf dem Laufenden. Hier geht’s zum Newsletter.

Relevante Links