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Leb wohl, Berliner Spielplan Audiodeskription!

Posted in Allgemein

Am 10. September zwischen 15 und 17 Uhr haben wir den Berliner Spielplan Audiodeskription vor dem Abgeordnetenhaus symbolisch zu Grabe getragen. Anlass war die erste Sitzung des Haushaltsausschusses – und erneut die bittere Erkenntnis: Im Entwurf des Berliner Haushaltsplans ist kein Geld für Audiodeskription an den großen Bühnen der Hauptstadt vorgesehen.

Bereits im vergangenen Jahr standen wir vor derselben Situation. Nach einer Online-Demo und einer E-Mail-Aktion konnten wir zwar erreichen, dass unser Projekt noch bis Ende 2025 weiterfinanziert wird, doch nun neigt sich dieses Jahr allmählich seinem Ende zu und wieder ist keine langfristige Lösung in Sicht. Um nicht unsichtbar zu bleiben, haben wir uns für ein starkes Bild entschieden: einen Trauerzug mit Grabrede für die Audiodeskription.

Wer nicht sehen kann, muss stehen!

Vor dem Abgeordnetenhaus zogen wir in schwarzer Kleidung in einer langsamen Prozession über den Platz. Begleitet wurden wir vom Klang des Trauermarsches und vom rhythmischen Chor unserer weißen Blindenstöcke, die den Ernst der Situation eindringlich unterstrichen.

Im Mittelpunkt des Trauerzugs stand die Grabrede für den Berliner Spielplan Audiodeskription. In mehreren Durchgängen erinnerten wir uns gemeinsam an das, was unser Projekt seit 2019 möglich gemacht hat: Theaterabende, bei denen blinde und sehbehinderte Menschen dank Audiodeskription „lachen, weinen und staunen konnten – mit allen anderen“. Wir riefen uns konkrete Stücke ins Gedächtnis, von „Don Quijote“ im Deutschen Theater bis zur „Dreigroschenoper“ am Berliner Ensemble. Dabei machte ein leerer Stuhl mit der Aufschrift „Für Sehende reserviert“ sichtbar, was es bedeutet, wenn Audiodeskription fehlt: „Wer nicht sehen kann, muss stehen und zwar vor verschlossenen Türen.“ Immer wieder riefen wir gemeinsam: „Leb wohl, Berliner Spielplan Audiodeskription!“ – ein Appell, der gleichzeitig Mahnung und Hoffnung war.

Wer setzt sich für uns ein?

Trotz des traurigen Anlasses war die Stimmung erstaunlich heiter. Mit jeder Wiederholung unserer Rede kamen mehr Menschen hinzu: blinde und sehbehinderte Menschen aus Vereinen, Autor*innen für Audiodeskription und auch Repräsentant*innen von Theatern. Zwischendurch gab es immer wieder Momente des Austauschs in kleinen Gruppen, in denen viele fragten, ob unser Projekt wirklich vor dem Aus steht.

Die Reaktionen auf die Trauerrede waren überwältigend positiv. Vor allem die Autor*innen für Audiodeskription konnten kaum glauben, dass ihre Arbeit – die so vielen Menschen Theater zugänglich macht – tatsächlich beendet sein könnte. Immer wieder wurde betont, wie oft es unserer Projektleiterin Imke Baumann gelungen war, durch unermüdliches Engagement neue Förderungen zu erkämpfen.

Für mich persönlich war besonders ein Moment immer wieder bewegend: der Augenblick, in dem wir die Politiker*innen direkt aufforderten, sich für unser Recht auf kulturelle Teilhabe einzusetzen.

„Im aktuellen Entwurf des Haushaltsplans ist weit und breit keine Spur vom Berliner Spielplan Audiodeskription oder Audiodeskription an Berliner Bühnen. Im vergangenen Jahr sagten uns Politiker innen der CDU, der SPD und den Grünen auf einer Podiumsdiskussion, dass sie sich in der Verantwortung sehen, dass wir uns an sie wenden sollten, wenn der neue Haushalt geplant wird. Nun wenden wir uns an Sie, die für die Haushaltsplanung und die Kultur in der Politik zuständig sind: Wenn auch Sie schon einmal vor verschlossenen Türen standen, wenn auch Sie ungehindert mit Ihren Familienmitgliedern und Freunden ins Theater gehen wollen, wenn auch Sie daran glauben, dass kulturelle Teilhabe ein Menschenrecht ist, dann setzen Sie sich dafür ein, dass der Berliner Spielplan Audiodeskription und mit ihm Theater für blinde und sehbehinderte Menschen in Berlin erhalten bleibt. Lassen Sie diesen Trauerzug für die Audiodeskription nicht Wirklichkeit werden.“

Natürlich war die Aktion auch körperlich fordernd. Nach dem dritten Durchgang spürten wir – die Redner*innen – wie die Kraft nachließ. Doch als kurz darauf Repräsentant*innen der Theater unter den Zuschauenden waren, haben wir uns noch einmal zusammengerauft – und der vierte Durchgang wurde zum stärksten von allen.

Als ich am Abend nach Hause ging, war ich erschöpft, aber zufrieden. Es tat gut, meine Stimme laut erheben zu können – auch wenn zwei Stunden Stehen im siebten Monat Schwangerschaft anstrengender waren, als ich gedacht hatte.

Damit der Trauerzug nicht Wirklichkeit wird

Für mich war dieser Trauerzug nicht nur eine politische Aktion, sondern auch ein Moment des Innehaltens. Während wir immer wieder „Leb wohl, Berliner Spielplan Audiodeskription“ riefen, wurde mir bewusst, wie viel dieses Projekt in den letzten Jahren ermöglicht hat – und wie fragil Teilhabe bleibt, wenn sie keine langfristige Finanzierung hat.

Ich habe an diesem Tag gespürt, wie groß die Gemeinschaft ist, die hinter der Audiodeskription steht: blinde und sehbehinderte Menschen, Autor*innen, Theaterleute, Unterstützer*innen. Alle vereint in dem Wunsch, Theater nicht nur für Sehende zu erhalten. Diese Kraft war deutlich zu spüren, und sie macht mir Hoffnung. Aber die Sorge bleibt: Wie lange können wir noch kämpfen, bevor wir gehört werden? Wie viele Trauerzüge braucht es, bis Audiodeskription an Berliner Theatern selbstverständlich ist?

Unsere Aktion endete mit einem letzten gemeinsamen Ruf: „Danke, Berliner Spielplan Audiodeskription.“ Ein Dank für alles, was dieses Projekt bisher ermöglicht hat – und ein Versprechen, dass wir nicht aufhören werden, weiterzukämpfen.

Damit dieser Dank kein endgültiger Abschied wird, brauchen wir Unterstützung. Bitte unterschreibt und teilt unsere Petition für den Erhalt des Berliner Spielplan Audiodeskription. Lasst auch ihr diesen Trauerzug nicht zur Wirklichkeit werden.

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