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„Der Fliegende Holländer“ mit Audiodeskription an der Deutschen Oper

Posted in Theaterrezension

Am 26. April sehe und besonders höre ich mir die Oper „Der Fliegende Holländer“ an der Deutschen Oper zum ersten Mal an – eine Geistergeschichte à la „Fluch der Karibik“ gepaart mit sehr viel Herzschmerz und einer Prise Seefahrerromantik.

Als ich, etwas verspätet, ankomme, ist die audiodeskriptive Einführung schon im vollen Gang. Um mich herum wuselt es mit Gästen, und bis ich meinen Platz gefunden habe, bekomme ich gerade noch die letzten Worte zur Ouvertüre mit. Die Geschichte rundum den „Fliegenden Holländer“ ist bekannt: ein verfluchter Seefahrer, der nach Erlösung sucht. Ich freue mich besonders auf die Musik, und wie es den Autor*innen der Audiodeskription diesmal gelungen ist, die Oper zu beschreiben, ohne den Gesang und das Orchester allzu sehr zu übersprechen.

Inhalt und Inszenierung des „Fliegenden Holländers“

Der Kapitän des „Fliegenden Holländers“ ist verflucht und mit ihm seine ganze geisterhafte Mannschaft. Nur alle sieben Jahre darf er an Land, um sich eine Frau zu suchen, deren Treue ihn erlösen kann. Diese glaubt er endlich in der Kapitänstochter Senta gefunden zu haben. Ihre Treue gilt allerdings schon einem anderen, obwohl sie sich bereits seit Jahren nach dem mysteriösen Geisterkapitän sehnt.

Die Inszenierung an der Deutschen Oper setzt einen starken Fokus auf Sentas träumerischen Sehnen nach dem Holländerkapitän und der Liebe von Erik, die sie zugunsten dieser Träumereien verschmäht. Schon in der Ouvertüre, in der Erik leidvoll Blumen an sein Herz presst, während Senta ihrerseits sehnsüchtig auf das Bild des Holländers schaut, leitet Sentas Traumwelt ein. Letztlich stand Eriks Leiden mehr im Vordergrund als das Schicksal von Senta und ihrem geliebten Holländer. Am besten gefielen mir die Passagen, die das Leiden dieser Dreiecksgeschichte aufgelockert haben. Das war vor allem der Gesang der Näherinnen, die ihre Liebsten herbeisehnen und Senta ob ihrer Besessenheit verspotten. Zum anderen auch das Lied des Steuermanns, der den Südwind bittet, ihn schneller zu seinem Mädel zu wehen. Auch die Stelle, in der die Besatzung des Fliegenden Holländers sowohl Frauen als auch Trunk ablehnt, da ihre Liebsten schon lange tot sind, fand ich wundervoll gruselig.

Ein Fragezeichen blieb bei mir jedoch zurück, als Senta sich zum Beweis ihrer Treue ein Messer in die Brust stürzt, sich alle um sie versammeln und die Oper plötzlich zu Ende ist. Wo bleibt die Erlösung? Der schreckliche Twist der Geschichte besteht eigentlich darin, dass der Holländer durch die treue Frau erlöst wird und dann nicht etwa in Liebe mit ihr zusammenleben darf, sondern stirbt. Sie geht mit ihm zusammen. Hier scheint es mir so, als würde nur sie sich opfern, um ihn zu retten. Trotz der nicht gerade ermächtigenden Darstellung der weiblichen Hauptfigur, fand ich die Musik fantastisch und bombastisch. Ich hätte auch gut und gerne zweieinhalb Stunden nur der Oper lauschen können, ohne jegliche Beschreibung. Von der Handlung hätte ich allerdings dann so gut wie nichts mitbekommen, denn obwohl die Oper auf Deutsch gesungen wird, sind nur einige Sätze für mich verständlich gewesen.

Die Rolle der Audiodeskription

Vor der Audiodeskription gab es eine Tastführung und bei dem aufwändigen Bühnenbild mit Wasserbecken, dem Berg aus Fracht und vor allem viel Nebeleinsatz hilft das ungemein.

Die Audiodeskription wurde von zwei Autor*innen für Audiodeskription eingesprochen, die sich allerdings stimmlich so ähnlich waren, dass ich sie kaum auseinanderhalten konnte. Eine sprach die Handlung, die andere übersetzte das Libretto. Diesmal konnte man sich sogar aussuchen, ob man Handlung und Libretto oder nur Handlung hören möchte. Manche Gäste kennen das Libretto so gut, dass sie lieber die Musik auf sich wirken lassen wollen. Verständlich, aber für mich an diesem Abend unmöglich. Ich brauchte die Übersetzung, obwohl ich auch manchmal versucht war, den Kopfhörer herauszunehmen und einfach nur zu hören. Die stimmungsvolle Sprechweise des Librettos hat mich besonders begeistert. So wurde der Kapitän Darlant mit einer geradezu schmutzig-räuberhaften Stimme gesprochen, Senta hingegen weich und träumerisch. Diese Übersetzung hat mich allerdings auch oft herausgerissen. Ich wusste oft nicht, ob ich lieber dem Gesang oder der Übersetzung lauschen sollte. Ich wollte aber auch nichts verpassen. Wenigstens war die Audiodeskription oft schneller fertig als der Gesang, sodass ich immer einige Sekunden Stille für die Musik hatte.

Besonders froh war ich, dass die Ouvertüre beschrieben wurde. Auf diese Weise hatte ich bereits zu Beginn einen Eindruck, welche Personen die wichtigsten sind – nämlich Senta und Erik – und welche Kluft zwischen den beiden liegt. Sie bewegen sich in unterschiedlichen Welten. Der eine sehnt sich nach der Frau, die er liebt. Die aber sehnt sich nach einer Traumgestalt, ähnlich wie ein Teenager, der einen unerreichbaren Star anhimmelt.

Fazit: Schaurig schön

Alles in allem hat mir die Audiodeskription dabei geholfen, der Handlung zu folgen. An der Oper an sich hat mir die Musik und besonders der Gesang der Näherinnen und der Amme gefallen und natürlich das Orchester. Für mich bleibt die Erinnerung an die schaurige Schönheit dieser Geistergeschichte und an den Gänsehautmoment, als das Orchester die stürmische See zum Leben erweckte. Ich hätte mir allerdings ein klareres Ende mit erkennbarer Erlösung gewünscht, denn nichts ist schöner als ein Happy End.

In dieser Spielzeit war es die letzte Vorstellung des „Fliegenden Holländers“. Falls es in der nächsten Spielzeit weitere Vorstellungen geben sollte, empfehle ich euch, die Oper einmal selbst auf euch wirken zu lassen.

In jedem Fall könnt ihr euch aber auf weitere Vorstellungen von „AIDA“ freuen.

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Foto: Der fliegende Holländer, © Bettina Stöß.