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Berliner Spielplan Audiodeskription: „Man muss geschätzt werden, sonst klappt es nicht.“

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Wieder einmal ist es dem Projekt „Berliner Spielplan Audiodeskription“ gelungen, weiterfinanziert zu werden. Theater mit Audiodeskription ist in den letzten sechs Jahren mehr und mehr zur festen Instanz an Berliner Bühnen geworden. Dass Theater wie das Berliner Ensemble, das Deutsche Theater Berlin, der Friedrichstadt-Palast, die Deutsche Oper Berlin, das Theater an der Parkaue, die Schaubühne Berlin und die Volksbühne inzwischen regelmäßig Theaterstücke mit Audiodeskription, Tastführungen und audiodeskriptiven Stückeinführungen anbieten, ist zum großen Teil der Initiative und Expertise des Berliner Spielplan Audiodeskription von Förderband e. V. zu verdanken. Seit 2019 sorgt er gemeinsam mit seinen Theaterpartnern und der Initiative blinder und sehbehinderter Theaterinteressierter für eine qualitativ hochwertige Audiodeskription an Berliner Theatern. Ende 2024 stand das Projekt nun kurz vor dem Aus. Die Projektförderung durch die Senatsverwaltung für Kultur und Gesellschaftlichen Zusammenhalt endete am 31. Dezember. Gleichzeitig sah sich die gesamte Berliner Kulturlandschaft mit erheblichen Kürzungen konfrontiert. Trotzdem ist es dem Berliner Spielplan Audiodeskription gelungen, zumindest bis Ende des Jahres. 2025, weiterfinanziert zu werden. Projektleiterin Imke Baumann beschreibt das Erfolgsrezept folgendermaßen: „Ich denke, der Berliner Spielplan Audiodeskription hat insgesamt einen sehr guten Ruf, der sich über die Jahre gefestigt hat. Wir sind seit dem Auslaufen des Lotto-Projektes im Mai 2023 im Gespräch mit der Politik, mit dem Kulturausschuss zum Beispiel, aber auch mit der Senatsverwaltung, mit der Staatssekretärin, auch teilweise mit dem Senator. Wir haben einiges dafür getan, uns da immer präsent und bekannt zu machen.
Gleichzeitig darf man, Imke Baumann zufolge, aber auch nicht den Einfluss der blinden und sehbehinderten Zielgruppe unterschätzen: „Unsere Online-Demo „Kultur wird gestrichen … Inklusion gleich mit?“ im November war ein Beispiel für ein kreatives Veranstaltungsformat, durch das wir versucht haben, Präsenz herzustellen. Dadurch haben wir die Nutzerinnen und Nutzer dazu motiviert, E-Mails an Politikerinnen und Politiker zu schreiben, in denen sie aus ihrer Perspektive geschildert haben, warum sie den Berliner Spielplan Audiodeskription und Audiodeskription im Theater haben wollen. Teilweise haben mir die Nutzerinnen und Nutzer die Antworten der Politik weitergeleitet. Dadurch habe ich gemerkt, dass man ernsthaft versucht hat, sich mit diesen Anforderungen auseinander zu setzen. Es waren E-Mails, aus denen die Wertschätzung für das Projekt und für die Bedürfnisse von blinden Theater Zuschauerinnen und -zuschauern durchsprach.“

Die nächsten Ziele

Nun, da das Fortbestehen von Audiodeskription an den Partnertheatern des
Spielplans zumindest vorläufig gesichert ist, stellt sich die Frage, was
die nächsten Ziele des Projekts in diesem Jahr sein werden. Ein großer
Fokus wird natürlich sein, weiterhin qualitativ hochwertige
Audiodeskriptionen für Theater anzubieten. Das heißt, mindestens eine
Premiere und eine weitere Vorstellung an den Partnerhäusern pro Monat
sowie eine gute Verteilung der Vorstellungen über den ganzen Monat und
den Rest des Jahres.
Ein zweiter Fokus wird verstärkt auf Marketing-Aktionen liegen. Dazu
gehören zurzeit ein Blog, ein Online-Theaterclub mit Theatergästen, ein
Newsletter, eine telefonische Spielplanansage, eine Programmvorschau auf
Ohrsichtradio sowie Social-Media-Posts. Auch die persönliche
Anfragespielt, so Imke Baumann, eine große Rolle: „Am besten
funktioniert in meiner Wahrnehmung persönliche Ansprache, ehrlich
gesagt. Warum interessiert sich plötzlich jemand? Weil jemand ihn
angesprochen hat oder weil im Anschluss an eine Vorstellung irgendwas
Persönliches passiert ist zwischen Menschen. Ich habe den Eindruck, dass
gerade blinde Menschen sehr darauf zählen, dass jemand mit ihnen
spricht. Das hat wahrscheinlich mit den vielen Barrieren zu tun, die
aller Orten herrschen, zum Beispiel im Internet.“

Nichts geht über verlässliche Partner

Darüber hinaus wünscht sich Imke Baumann für die Zukunft, dass die
Theater selbst verstärkt Werbung für ihre Stücke mit Audiodeskription
machen sowie Teile des finanziellen Aufwands selbst tragen: „Ich möchte,
dass die Theater einen Teil aus ihrem Budget tragen. Ich bin dafür, dass
sie die Vorstellungen übernehmen. Das ist sinnvoll, denn die
Vorstellungen finden in den Theatern statt. Da hat man das Betriebsbüro,
die Programmplanung und die Gewerke, mit denen man sich verabreden muss.
Der Berliner Spielplan Audiodeskription würde für den gesammelten
Overhead sorgen. Das heißt, die Koordination, die Werbung, die
technische Einrichtung, die Audiodeskriptionstexte, die Qualifizierung
der Autorinnen und Autoren für Audiodeskription und die
Qualitätskontrolle der Stücke mit Audiodeskription. Das scheint mir eine
sinnvolle Einteilung.“
Und welche Rolle spielt die Politik dabei?
„Die Politik gibt die Leitlinien vor und bestimmt, wofür Geld ausgegeben
wird. Sie bestimmt den Haushalt. Politikerinnen und Politiker haben
Verantwortung für die Herstellung von Barrierefreiheit. Und natürlich
finden sie es gut, wenn sie verlässliche Partner wie den Berliner
Spielplan Audiodeskription haben, die das für sie dienstleistend
übernehmen, wo sie sich auf das Ergebnis verlassen können, weil das
Thema etabliert und präsent ist und kontinuierlich betreut wird.“

Planung mit Optimismus und Wertschätzung

Egal, ob es nun um die Zusammenarbeit mit und die Aktivierung von
Politik, Theatern oder Publikum geht, für Imke Baumann gilt die Devise:
„Man muss als Projekt geschätzt werden, sonst klappt es nicht.“
Deshalb machte sich die Projektleiterin mit viel Liebe und Optimismus
bereits vor Finanzierungszusage daran, einen Spielplan mit
Audiodeskription für das Jahr 2025 zu planen.
Imke Baumann: „Das ist immer schwierig, denn unsere audiodeskriptiven
Mühlen mahlen immer ein bisschen langsamer. Wie immer müssen wir uns in
die Repertoirebetriebe der Theater einarbeiten. Was kommt neu heraus?
Was könnte gut mit Audiodeskription sein? Wann kann man das potenzielle
Stück probebetrachten? Das machen wir zusammen mit unseren Redaktions-
und EvaluationsmitarbeiterInnen und -mitarbeitern, Also mit blinden und
sehbehinderten Stammgästen, mit denen dann fleißig ins Theater gegangen
wird. Dadurch entsteht eine Stückauswahl. Das heißt, dass im Moment ganz
schnell ganz viel geguckt wird.

Vorläufiger Spielplan Audiodeskription 2025

Die Mühe hat sich gelohnt. Neue bereits geplante Stücke mit Audiodeskription stehen bereits im Spielplan, darunter Zawrel – Erbbiologisch und sozial minderwertig (Deutsches Theater), Der fliegende Holländer von Richard Wagner und Der Barbier von Sevilla (Deutsche Oper), Tschick (Theater an der Parkaue) und Wachs oder Wirklichkeit: Eine surreale Auseinandersetzung mit der Realität (Volksbühne Berlin). Erneut auf dem Spielplan stehen außerdem 1984 von George Orwell (Berliner Ensemble), Aida von Guiseppe Verdi (Deutsche Oper), Die Möwe und Die Affäre in der Rue de Lourcine (Schaubühne Berlin). Weitere Aufführungen mit Audiodeskription sind in Planung. Alternativ können Sie auch die telefonische Spielplanansage unter der Nummer 030 27 90 87 76 hören. Der Berliner Spielplan Audiodeskription wünscht Ihnen viel Spaß beim Theaterhören!

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