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Saalprüfung von „humanistää! eine Abschaffung der Sparten“

Posted in Theaterrezension

Ich liebe Saalprüfungen! Nicht oft habe ich die Gelegenheit, Feedback zu geben, noch bevor ein Stück mit Audiodeskription Premiere hat. Am 12. Mai 2022 ist das Stück „humanistää!“ dran. Es gehört nicht nur zu den für das 59. Theatertreffen ausgewählten Stücken, sondern auch zu den drei Inszenierungen, die dieses Jahr auf dem Festival mit Audiodeskription gezeigt werden. Das Stück ist eine Collage aus den Werken des Dichters Ernst Jandl – darunter der Einakter „Die Humanisten“, das Künstlerdrama „Aus der Fremde“ und das Gedicht „Deutsches Gedicht“. Mit seinen musikalischen, pantomimischen und lyrischen Elementen sorgt das Stück für einen Lacher nach dem anderem und am Ende für stehende Ovationen. An diesem Abend spricht Jutta Polic die Audiodeskription ein. Ich sitze in der siebten Reihe und schreibe fleißig mit. Viel zu meckern habe ich allerdings nicht. Im Folgenden könnt ihr einige meiner Anmerkungen lesen, die ich Jutta vor der Premiere des Stücks mit Audiodeskription am 13. Mai schicke.

Zur Einleitung

Imke Baumann (Projektleitung des „Berliner Spielplan Audiodeskription“) hat uns gebeten, darauf zu achten, was man weglassen kann, damit die Einleitung etwas kürzer wird. Sie umfasst nämlich zu diesem Zeitpunkt noch sechsundzwanzig Minuten. Generell finde ich, dass die Einleitung, trotz ihrer Länge, nicht überladen wirkt. Gut, die Kostüme kann ich mir bei so vielen Figuren im Detail nicht merken. Da könnte von mir aus immer etwas eingestampft oder kürzer gefasst werden, besonders, wenn die Kostüme in der Tastführung vorkommen. Hier sind meine Hinweise zur Einleitung:

  • Jutta nennt die drei Werke, auf denen das Stück beruht. Das finde ich für das Verständnis wichtig. Aber müssen hinterher die Gedichte und Lieder im Einzelnen beschrieben werden?
  • Jutta beschreibt das Bühnenbild mit detaillierten Zentimeterangaben. Mit Zentimeterangaben kann ich in der Regel nicht viel anfangen. Es würde mir mehr helfen, wenn Adjektive wie „winzig“ oder „riesig“ oder auch „so groß oder so klein wie“ benutzt und genaue Größenangaben spärlich eingesetzt werden. Ich kann sie mir, besonders so kurz hintereinander gesprochen, nicht vorstellen. Ich brauche hier etwas bildhaftere Angaben und vielleicht auch weniger Details der Räume. Es ist im Prinzip toll zu wissen, wo der Lichtschalter ist. Die Frage ist aber, kann ich mir das auch merken bzw. ist es wichtig für das Verständnis des Stücks?
  • „Er tanzt schlaksig und leicht, als hätte er keine Gelenke“: Eine tolle Beschreibung!
  • „In einigen Szenen scheint ihnen eine Sicherung rauszufliegen“: tolle Beschreibung!
  • Jutta sagt, dass die Zuschauer*innen bis Stückbeginn ihre Geräte ausschalten können. Trotzdem liest sie um 19:58 Uhr etwas vor. Ich weiß nicht genau, was das ist, aber vielleicht kann das weggelassen oder gleich an die Einführung angeschlossen werden? Man könnte das Publikum auch bitten, die Geräte angeschaltet zu lassen. An dieser Stelle müssen wir im Saal übrigens noch viel aufstehen, um alle durchzulassen. Wenn man da nicht noch auf die AD achten muss, ist das, glaube ich, vorteilhaft.

Zum Stück

  • „Er linst kurz in den Saal“: tolles Verb!
  • „Sie Imitieren, an den Käsescheiben auf ihren Tellern zu säbeln“: „säbeln“ ist ein tolles Wort!
  • Der ganze Saal lacht, als „eine andere sehr große Friederike Mayröcker“ die Bühne betritt. Vielleicht kann Jutta noch hinzufügen, wie sehr sie den Jandl überragt?
  • „Elastisch schwingt ihr Oberkörper mit“: Wie schwingt ein Oberkörper elastisch?
  • Wenn Jutta sehr schnell über laute Musik spricht, kann ich kaum etwas verstehen. Ich versuche es, aber es sind einfach zu viele Eindrücke. Vielleicht kann dieser Teil gekürzt werden.
  • Ich finde es sehr lustig und auch hilfreich, dass Jutta Handbesen-Jandl, Uhr-Jandl, Büro-Jandl und Magerquark-Jandl sagt.
  • „Die Jandl bauen sich hinter den Tischen auf“: Tolles Bild!
  • Man hört ein lautes Nebengeräusch aus den Kopfhörern, wie einen Lüfter. Das ist mir schon bei „Die Jungfrau von Orléans“ aufgefallen. Vielleicht Mikro stummschalten, wenn lange nichts gesagt wird.
  • Was ist ein „rassiger Hüftschwung“? Wie sieht das aus?
  • Super, dass der Gesang übersetzt wurde. Die Worte hätte ich sonst nicht verstanden. Die Sängerin singt nämlich sehr hoch.
  • „Die Männer nesteln an ihren Genitalien“ Toll! Damit meine ich natürlich die Beschreibung und nicht notwendigerweise den Akt an sich.
  • „Er streift mit pendelndem Penis ruhelos umher.“ Sehr lustig!
  • Wenn der Darsteller schreit und Jutta darüberspricht, ist sie schwierig zu verstehen. Sie ist auch schwierig zu verstehen, wenn sie über einen längeren Zeitraum sehr schnell beschreibt.

Fazit

Jutta soll alle ihre wunderschön bildhaften Beschreibungen beibehalten und ansonsten die Zentimeterangaben und die Stellen kürzen, an denen die Musik besonders laut ist. Das war, glaube ich, nur am Anfang schwierig. Ansonsten höre ich Jutta wie immer gerne zu. Sie hat eine der schönsten Stimmen, die ich bei Audiodeskriptor*innen je gehört habe.

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